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ALPINKATZEN

Der Ausflug nach Amerika

Blanko Musik 1994 | Text: Hannes Heide

A new brand of yodelling

März 1994: Manhattan, Times Square - Hubert von Goisern und die Alpinkatzen sind in das Herz der Musikindustrie vorgedrungen. Der Gipfel, den Hubert diesmal erobert hat, ist aus Stahl und Beton: Im 42. Stock des Bertelsmann-Buildings in der Chefetage, musiziert das österreichische Quintett vor der beeindruckenden Kulisse des Empire State Building und der Skyline von Manhattan. Salzkammergütlerische Klänge mitten in New York, Steira und Schleuniger gut 200 Meter über Megalopolis.

Alpinkatzen bei BMGEin amerikanischer Traum?

Dass die Musik des Hubert von Goisern zwar regionale Wurzeln hat, in ihrer Umsetzung aber eindeutig international ist, das hat eine kleine World-Tour mit den Stationen Paris, Austin und New York bewiesen.

Eurofolies heißt die Veranstaltungsreihe von Radio France International, dem französischen Kurzwellen-Service, in dem Gruppen aus ganz Europa in Pariser Vorstädten vorgestellt werden und via Äther live im ganzen Land zu hören sind.

Für gerade zwei Nummern reichte die Zeit. Mit dem Steira Iawaramoi und dem Wildschütz-Rap konnten Hubert und seine Katzen das Publikum auf ihre Seite ziehen. Frenetische "Plus"(Mehr)-Rufe des Publikums, pogotanzende Punker in der ersten Reihe bewiesen: Auch die Franzosen können durchaus mehr an Ethnorock aus Österreich vertragen.

"Austrias only Countryband" spielt in Austin groß auf

Der Auftritt in der texanischen Hauptstadt Texas wird für Hubert von Goisern zum Heimspiel! Schon am Nachmittag taucht der erste Fan auf. Ein Amerikaner, der aus England die Aufgeigen statt niederschiaßen-CD geschickt bekam, ist extra aus Florida angereist, um sein Idol live erleben zu können. Als der schräge Vogel nach dem Konzert vom Bayerischen Rundfunk zu einer Stellungnahme gebeten wird, kann er nur mehr hervorstottern, daß dies der schönste Tag in seinem Leben gewesen sei.

"South by Southwest" heißt die Musikmesse, in deren Rahmen gut 400 Bands innerhalb von fünf Tagen in einem dutzend Musikclubs im Stadtzentrum von Austin Konzerte bestreiten.

Eine wohlwollende Kritik über Huberts jüngste Veröffentlichung Omunduntn im "Austin Chronicle" sorgt dafür, dass der "Santa Fe"-Club zur angekündigten Beginnzeit voll ist. Draußen steht eine Warteschlange. Keiner wird mehr hineingelassen, als Solide Alm auch auf der Straße zu hören ist.

Als "Austrias only Countryband" stellte der Moderator die Alpinkatzen vor. Die Veranstalter des Festivals haben die Band in einem Club programmiert, in dem sonst Countryrock gespielt wird. Und so sind neben dem Fachpublikum von der Messe und Musikjournalisten auch jede Menge Locals mit Texanerhüten gekommen, um "New German Volksmusik mixed with rock, punk und yodelling" (so die Ankündigung im Festivalprogramm) zu hören.

HvG - AustinAber auch dieses Publikum hat Hubert schnell in der Hand. "We are definitely not from Germany, we are Austrians", stellt er gleich am Beginn klar. Leichte Verunsicherung bei der Vorstellung der Band. "On guitars Reinhard Stranzinger from the wonderful city of Braunau" - da recken sich vor der bühne tatsächlich ein paar Hände nach oben!

Steira, Schleuniger und Landler fallen aber hier in Texas - dem Bundesstaat mit den meisten deutschsprachigen Bewohnern und mit vielen deutschen Ortsbezeichnungen - auf guten Boden. Und die Kehlkopfakrobatik der Alpinen Sabine, hierzulande als "Yodelling" bezeichnet, reißt das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin.

Als dann zu guter Letzt auch noch das Hiatamadl über ihre Köpfe dröhnt, kennen die Amis kein Halten mehr. "This could be a big hit", meint da einer. Daß es schon einer gewesen ist, traut man sich bei den amerikanischen Dimensionen freilich nicht zu erwidern. Schon zu Mittag haben die Alpinkatzen ihren ersten Auftritt in der neuen Welt hinter sich. Auf der Messe absolvieren sie einen Unplugged-Gig. Und können schon da im lahmen Getriebe Aufsehen erregen. Mehrere Veranstalter großer europäischer Festivals zeigen Interesse an der Band.

"Goisern is like Manhattan"
Wolkenkratzer und Berge

New York im allgemeinen, Manhattan im besonderen flößen Respekt ein. Aber alles relativ: Der Dachstein mit seinen dreitausend Metern ist fast zehnmal so hoch wie die beiden Türme des World Trade Centers, erklärt Hubert den New Yorkern im Jazzclub "The Cooler".

Gut 200 Besucher sind nach Greenwich Village in den renommierten Club gekommen. Das Publikum rekrutiert sich zum größten Teil aus Journalisten (immerhin sind Village Voice und MTV vertreten), Leuten der Plattenfirma und Angehörigen der Österreicher-Kolonie.

Weder musikalisch noch mit seinen Ansagen zwischen den einzelnen Titeln hat Hubert von Goisern Probleme, die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Manhattan vergleicht der Hubert, der perfekt englisch spricht (er hat ja immerhin einige Jahre in Südafrika und Kanada gelebt), mit ... Goisern!

Sind es dort die Berge, sorgen in Manhattan wohl die Wolkenkratzer für den Blues. Huberts Lied Ganz Alloa sorgt da für den Beweis. Es wurde ja nicht von ungefähr von einem New Yorker (Thelonious Monk) geschrieben.

Und auch die Gegensätze zwischen Metropole und Provinz, auf die Hubert in seinen Programmen eingeht, gibt es auch in den USA, genauso wie populistische Politiker. Dass Hubert die deutsche Hymne bearbeitet, das kennen die Amerikaner von Jim Morrison, der ähnliches mit der ihren gemacht hat.

Was die gefühlvollen Jodler wie Sarstoana, Alpera und Kuahmelcher betrifft, fällt den Amerikanern dazu nur eines ein: "Soul", Seele!

An ein "interessantes Abenteuer, ein gelungenes Experiment" denkt Hubert von Goisern zurück und bilanziert über den USA-Trip: "Ich habe nach wie vor das Gefühl, dass Amerika ein Land ist, wo ich mit einer Produktion auf Tournee gehen und das ich bereisen möchte. Wir hätten dort sicher eine Chance!"

Hubert und Heidi

Kleine Zeitung 24. März 1994 | Text: Gerhard Nöhrer

Hubert von Goisern testete seine Lieder in New York. Den Amis gefallen die Alpinklänge,
sie schlagen aber eine Namensänderung vor.

Hubert von GoisernGeplant war "Hubert goes to Hollywood". An Arnold Schwarzenegger wurden Unterlagen und CDs von Hubert von Goisern und seinen Alpinkatzen verschickt, doch die steirische Eiche schwieg. Der erste Schritt über den deutschsprachigen Raum hinaus glückte dennoch. Nach Auftritten in Paris und Houston spielte Goisern Dienstag nacht sein erstes Konzert in New York.

Vor rund 200 Leuten im Szene Beisel "The Cooler" im Stadtteil Greenwich Village verwirklichte sich unser Alpen-Zappa einen langgehegten Traum - "in der Stadt der Städte zu spielen". Zwei Stunden lang bot er einen Querschnitt seiner Alben Aufgeigen statt niederschiassn und Omunduntn. Beim- Hiatamadl flippten auch die Amis aus. Goisern moderierte in perfektem Englisch und erklärte seine Themen.

Goisern zum Sprung über den großen Teich: "Das ist ein Versuchsballon, den wir gestartet haben. Dafür mußten wir selbst in die Tasche greifen, aber das war es wert. Es ist eine Experimentaltournee. Wir müssen noch ein paar Wochen abwarten, momentan klopft uns halt jeder auf die Schulter und meint: Great!"

"Völlig was anderes", waren sich die Zuhörer einig. Ein Problem ist nur die Aussprache des Namens. "Hubert von Goisern und die Alpinkatzen" ist ein Zungenbrecher. Vorschläge aus dem Publikum: Nur "Goisern", "The Alpine Cats" oder "Heidi".

416 W., 14th Street: Alpinkatzen geigen auf in New York

Salzburger Nachrichten 26. März 1994 | Text & Fotos: Martin Stricker

Hubert von Goisern beim AlamoNew York. "Lederhosenrock" versprach das Plakat. "A new brand of Yodelling comes to New York", verkündigt die Plattenfirma BMG. Hubert von Goisern und die Original Alpinkatzen in Amerika. Um genauer zu sein: In New York, Manhattan, 416 West, 14th Street - irgendwo zwischen Chelsea und Greenwich Village: "The Cooler" heißt der Club, in dem die "Anarchisten der volksmusikalischen Szene Österreichs" (Hubert) dieser Tage vor rund 200 Leuten - darunter viele Deutschsprachige - aufspielten.

Die Reaktionen des Publikums in dieser Reihenfolge: leichtes Misstrauen ("What's this?"), sanftes Erstaunen ("Very interesting"), genaues Hinhören ("WOW!"), fröhliches Grinsen ("It's fun'), heftige Begeisterung ("That's just fantastic!").

"Jetzt fahrts ein, die Nervosität", hatte der Goiserer noch wenige Stunden vor dem Auftritt spät abends gemeint. Auf der Bühne war nichts mehr zu bemerken. Die Alpinkatzen geigten auf und holzten ab.

Hubert von Goisern schaffte es, seinen zwischen den Nummern präsentieren Wortwitz auch auf englisch herüberzubringen. Je später es wurde, desto heißer die Stimmung. "Wirklich aufregend!" fanden es drei bärtige Fans in Lederjacken. Sie hörten die Truppe bereits zum zweiten Mal. Waren schon beim Konzert in Austin/Texas dabeigewesen. Zum Schluß gab's standing ovations und vokale Zugaben. "Feels like in a church!" meinte ein New Yorker.

AlpinkatzenWas war es nun? "Alpine Grunge", beschrieb es jemand. Ein anderer fand sich an schottische Band aus den frühen achtziger Jahren erinnert. "Blues und Rock n Roll mit Traditions-Mix" hörte ein Dritter.

Der Goiserer selbst erkannte in den Ami-Reaktionen Ähnlichkeiten mit jenen der Österreicher. Auch hierzulande war ein "Was soi denn des sei?" erste Rückmeldung. Niemand wusste so recht, welche Schublade jetzt zuständig sein sollte.

Die Missions-Botschaft der Alpinkatzen war bereits vor dem Konzert über den Äther gekommen. Der Kultursender "WBAI" hatte zum Interview gebeten. Worunter auch ein paar Kostproben alpinen Gesangs zu verstehen waren. Im Gespräch mit Moderator Matthew Finch räumte Hubert mit dem Volksmusikanten-Klischee "jodelnder Gebirgs-Blödel" auf. Es sei ein Sakrileg gewesen, die seit Jahrzehnten unveränderte und einst von den Rechten besetzt gewesenen Kulturtradition Österreichs anzurühren, erzählt er. Eine Menge Intellektueller hätten Volksmusik mit dumpfen Nationalismus gleichgesetzt. Bierseligkeit und Gegröle, das sei auf dem Etikett gestanden.

Sabine Kapfinger und Hubert von GoisernDem setzt der Goiserer - übrigens Fan von Formationen wie dem Pongauer Viergesang - einen Grundsatz gegenüber: "Fürs Jodeln brauch ma uns net schämen. Des is a Kunstform!" "Wia a Traum" erschien ihm der Auftritt in New York, der "City der Türme und Schiffsmasten" (Walt Whitmann), der "wunderbaren Katastrophe" (Le Corbusier). Manhattan ist en von Millionen bevölkertes Chaos aus Stein, Glas und Asphalt. Es ist der Stadtteil der Junkies und der Mafia, der Börse und des Broadway, des Jazz und des Rap. Woody Allen wohnt dort und Madonna, Robert de Niro, Tom Wolfe und Cher. Und jetzt mittendrin die mit dem Hiatamadl? Korrekt.

"Da schaut da Kuckuck stad!" meinte Sabine Kapfinger, 20, - von Beruf "Singer und Yodler" mit abgeschlossener Friseurlehre, einst im Walchsee Seerosen Trio tätig. "A Stadt, aus der du z'Fuaß nimma außikummst", kommentierte der Goiserer trocken. Trotzdem, wer auf die Story von den baff gaffenden Gebirglern in der großen weiten Welt hofft, hofft vergebens. Eine gewisse Respektlosigkeit gilt als urbane Tugend. Das Image der Band mag urig sein, ihr Englisch ist es nicht. Die Truppe ist nicht erst gestern von den Bergen gestiegen.

Hubert von GoisernReinhard Stranzinger, 33 - der Mann dem das US-Branchenmagazin "Billboard" die "heavy rock guitar" zuordnete - trampte einst durch Europa, endete in München, wo er sich u. a. als gelernter Zimmermann mit dem Schnitzen von Marienstatuen über Wasser hielt. Schlagzeuger Wolfgang Maier, 33, wiederum absolvierte ein selbstverordnetes Musik-Studienprogamm in Marokko, tingelte einige Jahre lang mit einer Bierzelttruppe durch Kanada und Europa. Im Repertoire: Alles von Oktoberfest bis Kasatschok. Auch Hubert Achleitner vulgo "von Goisern" blickt auf Reisejahre zurück. Auf den Philippinen erstaunte er das Publikum mit der Fertigkeit des Nasenflöte-Spielens. Und Keyboarder Stefan Engel, 27, gelernter Pianist und Punkrocker, entleerte einst mit seiner Band Mozart Mix 6 ein Jazzfestival in Budapest.

"Jetzt sind wir also wirklich da in New York und es geht dahin!" Der das mit gelinder Verblüffung sagt, ist Erich Zawinul, 28, Sohn des seit langem in den USA arrivierten Jazzers Joe Zawinul. Der Junior hatte die Geschichte mit Manhattan eingefädelt. Die Bekanntschaft mit einem der Techniker der Alpinkatzen gab den Anstoß: "Wir spielen in Texas, könntest du nicht was in New York checken?" Zawinul konnte.

Der Produzent der Alpinkatzen sprang auf. "Das is so bekloppt, das müssen wir probieren", betonte der geborene Kölner Heinz Henn, Führungsmann in der "Bertelsmann Music Group" (BMG). Die Exoten aus Übersee hatten soeben den 42. Stock des mächtigen BMG-Gebäudes am Broadway erklommen. Und dem Manager des Musikgiganten kurzerhand eines aufgespielt.

"Etwas wirklich Einzigartiges", so fasst es Richard Zwertz von der Plattenfirma Arista während des "Cooler" Auftrittes zusammen: "Traditionelles neu gemacht, alle freuen sich." Und: "It's great entertainment".

Goisern goes U. S. A.

Live 1994

Hubert von Goisern war ein gutes Dutzend Mal auf dem Dachstein und auf dem Großglockner. Doch auf die Expedition, die er im März mit seinen Alpinkatzen durchführte, konnte er sich in den Alpen nicht vorbereiten: Sein Aufbruch zum Gipfel des Pop - nach Amerika. Live in Concert. Das Tagebuch einer Erstbegehung.

Hubert von GoisernFalco hatte es geschafft: mit Amadeus war er Nr. 1 in den US-Billboard-Charts. Auch Edelweiß, die Bingo Boys und Opus plazierten die eine oder andere Nummer in den amerikanischen Hitparaden. Der gemeinsame Faktor aller bisher in den USA erfolgreichen Österreicher: Ihre Musik hat internationalen Sound, könnte in Wien genauso wie in London oder in New York aufgenommen worden sein.

Jetzt will es einer wissen, der sein gesamtes Potential aus dem kulturellen Erbe österreichischer Tradition schöpft: Hubert von Goisern mit seinen Original-Alpinkatzen. Größter Hit bislang: Koa Hiatamadl. Plattenverkauf bisher: 15.000 vom ersten Album Alpine Lawine. 400.000 vom Erfolgsalbum Aufgeigen statt niederschiaßen, (fast Vierfach-Platin in Österreich). Bereits 100.000 von der neuen CD Omunduntn in nur 14 Tagen. Marschrichtung: vorwärts.

Jetzt wagt die Neue Volksmusik das Abenteuer. Paris, Texas und New York - die drei Stationen der alpinen Expedition ohne Seil. Die Ziehharmonika als Handgepäck. Eine kleine, mitteleuropäische, traditionell mit Minderwertigkeitskomplexen behaftete Kultur stellt sich.

HvG in New YorkHage Hein, der Manager der Alpinkatzen aus München, hatte ohne Unterstützung der Plattenfirma ("Die haben nach dem Motto 'Fliegt's, wenn's wollt's, wir werden's nicht verhindern' reagiert") die Konzerte organisiert und den Trip aufgestellt. Der dreifaltige Zweck der Reise mit insgesamt zehn Flügen und 25.000 zurückzulegenden Kilometern: erstens, als Primärstufe einer eventuellen Auslandskarriere auszuloten, ob außerhalb des älplerischen Kulturraums überhaupt eine minimale Akzeptanz von Liedern wie Koa Hiatamadl oder Oben und unten registriert werden kann; zweitens, eine einzigartige Lebenserfahrung zu machen; und drittens, möglichst viel Spaß zu haben.

Ein teurer Spaß in jedem Fall. Das Abenteuer kostet eine glatte Schilling-Viertelmillion. Die Hälfte davon finanziert sich durch die bezahlten Gagen und durch einen Zuschuß des Österreichischen Kulturinstitutes in New York. Ein Viertel zahlt schließlich die österreichische Goisern-Plattenfirma als Vergütung für die durch die Fernreise erfolgte Medienpräsenz in der Heimat.

Der Rest rund 10.000 Mark - bleibt als Minus auf Hage Heins Konto. Als Option für eine eventuelle globale Zukunft des alpinen Klangerlebnisses. Goisern und seine vier Alpinkatzen spielen umsonst, bekommen lediglich ein kleines Taschengeld ausgezahlt.

Paris. Auftritt beim "Eurofolies"-Festival, das diverse Exoten-Gruppen in Vortorte-Clubs aufspielen läßt. Die Plakate hängen in ganz Paris. "Goisen", ohne "r", steht auf dem Zettel, der an der Garderobentür hängt. Die Garderobe: ein umgewidmeter Gang. Es ist eng im Club Lino Ventura in Torcy bei Paris. Thomas Boulais von Radio France Inter stellt erstaunte Interviewfragen ("Gibt es eine Rockszene in Österreich? Bekommen Sie Subventionen?"), die stellvertretende Botschafterin Helene Lamesch entbietet, etwas geniert, herzliche Grüße der Nation. Das Konzert (rund 250 Franzosen bei freiem Eintritt) dauert nur 12 Minuten oder drei Lieder. Es ist Teil einer streng getimten Live-Radiosendung (die später über Kurzwelle auch noch weltweit ausgestrahlt wird).

HvG - USADie Publikumsreaktion: Ein paar Punks toben sich vor der Bühne aus, die dezenteren Franzosen fordern mit "Plus plus plus"-Sprechchören (vergeblich). Zugaben. Kontakte für weitere Auftrittsmöglichkeiten im Herbst werden geschlossen.

Vom europäischen Spätwinter in den amerikanischen Frühsommer. Texas. Gluthitze. Nach 2.5 Stunden im Flugzeug gibt es im Hotel keine Zimmer mehr. Um 4 Uhr ist man endlich in der erquickenden Horizontalen.

Acht Stunden später: Sightseeing in San Antonio. Ein deutsches Kamerateam, das die Reise begleitet, tritt dem alpinen Meister auf die Fersen. Mit dem Auto Weiterfahrt nach Austin, Hauptstadt von Texas und des amerikanischen Musik-Nachwuchses: Auf der berühmten 6. Straße buhlen allabendlich etwa 100 Rock-Clubs mit Live-Bands um das vor den Türen flanierende, potentielle Publikum.

An diesem Wochenende ist die Lage verschärft: Im Rahmen eines viertägigen Festivals mit angeschlossener Musikmesse, "South by Southwest", entwickeln 450 Gruppen aus aller Weit ein babylonisches Allerlei der Klänge. In einer Messehalle absolvieren die Alpinkatzen mittags ein Unplugged-Konzert, bevor am Abend der "richtige" Auftritt stattfinden soll. Der geplante Soundcheck im "Santa Fé"-Club scheitert: die bestellte Ausrüstung steht nicht auf der Bühne...

Hubert von Goisern - USAKnapp vor 24 Uhr: Das ''Santa Fe" ist voll, draußen stehen noch immer 50 Alpinkatzen-willige Amis. Schräg gegenüber, im "Catfish", haben soeben die Seven-Ages aus Wiener Neustadt mit ihrer ethno-orientierten Musik begeistert. Jetzt stehen sie bei Goisern in der ersten Reihe. Rotweißrote Solidarität.

Es klappt auch ohne Soundcheck. Und: Die Amerikaner sind mehr als angetan. Terrific, incredible, funny, great show, unique - so die Kommentare. Eines ist schon fix: Der nächste New-York-Trip Aussichten auf eine Karriere in Amerika? "Ja, als Randprogramm", kommentiert ein Fachjournalist. New York. Die Expedition ist zur Karawane geworden. Der ORF, das deutsche Fernsehen und mehrere österreichische Tageszeitungen folgen dem Meister durch den Wilden Osten.

Hubert von GoisernBeim New Yorker Vice Senior President der bislang auf Abwarten taktierenden Goisern-Plattenfirma BMG Ariola, dem Kölner Heinz Henn (der Präsident ist ein Kärntner, aber leider gerade im Ausland), wird acapella aufgespielt. Henn weicht der Frage des Goisern-Managers, wie es denn nun mit einer Veröffentlichung in den USA stehe, geschickt aus: "ihr müßt weitertun, auf eure Herkunft nicht vergessen, euch nicht dreinreden lassen. Dann ist alles möglich."

Eine Viertelstunde weiter, bei WBAI 95.5 FM, kommt es zum Radio-Interview. Und dann, am Abend, zum Auftritt. "The Cooler" heißt der Club in der 14. Straße. Irgendwie erinnert er an ein modernes Wiener U4. Erich Zawinul, der Sohn des austro-amerikanischen Jazzgiganten Joe Zawinul, hat das Konzert organisiert. Rund 60 Gäste zahlen für den ihnen völlig unbekannten Goisern Eintritt, die anderen 150 sind Geladene aus der Medienbranche: New York Times, New York Post, Village Voice und Kollegen aus Ländern wie Brasilien, Israel, Italien und Deutschland sind gekommen. Das österreichische Kulturinstitut ist als Sponsor anwesend.

Goisern, schon den ganzen Tag hypernervös, zieht alle Register. Und überzeugt. Drei Zugaben, die letzte lang nach 1 Uhr nachts, nach über zwei Stunden Livemusik, sind notwendig. Während etliche in New York lebende Auslandsösterreicher zu unserem Hubert Schulterklopfen gehen, sieht sich Manager Hein nach Kontakten um. "Geben sie mir die Truppe einen Tag, ich mache sie berühmt", bietet ein US-Manager an. Ein anderer veranschlagt dafür drei Tage.

Ein Abenteuer geht zu Ende, und Zeit zum Reflektieren gibt es erst später: Drei Stunden nach ihrer Ankunft in Europa stehen die Alpinkatzen schon wieder vor deutschen Fernsehkameras. Hubert von Goiserns erste Bilanz: "Mein Bewußtsein wurde gestärkt. Wir haben erfahren, daß auch in anderen Ländern nur mit Wasser gekocht wird und daß das, was wir machen, durchaus neben das gestellt werden kann, was andere machen. Man muß abwarten, was von der Euphorie, die bei den Amerikanern nach den Konzerten geherrscht hat, übrigbleibt."

Goisern meets Amerika

News 3/94 | Text & Fotos: Peter Leopold

Von einem der auszog ... Hubert von Goisern ist mit Omunduntn wieder Nummer 1 der Österreich-Charts.
Samt Alpinkatzen erjodelte er letzte Woche Amerika - von Texas bis New York.
NEWS Lokal augenschein einer alpinen Expedition.

Hubert von Goisern und die Alpinkatzen

Der junge Amerikaner war vier Stunden lang nach Texas geflogen, um sein Idol zu sehen. Jonathan Hayney, 25, lebt in Orlando/Florida und ist Amerikas größter Alpinkatzen-Fan. Was an sich keine Kunst ist: Er ist der einzige unter seinen Landsleuten der Hiatamadl auswendig singen kann. Auf Deutsch. Vor zwei Jahren schenkte ihm ein Freund aus Europa Goiserns Aufgeign statt niederschiaßn-CD. Seither lernt er Deutsch ("jeden Tag eine neue Wort"), möchte bald nach "wonderful Austria" kommen und sucht verzweifelt die neue CD Omunduntn.

HvG in New YorkGefunden hat er sie noch nicht, und das mag unter anderem damit zu tun haben, daß er den Titel nur schwer artikulieren kann. Nun steht er, sprachlos vor Glück, Aug in Aug mit seinem Idol. Denn Hubert von Goisern drängt - ein seit der Trapp-Familie nicht mehr unternommenes Wagnis - mit alpinem Folk in Richtung USA. NEWS begleitete ihn auf seiner Tournee.

Ein Phänomen greift über die Grenzen: Hubert von Goisern & die Original Alpinkatzen, über 500.000 verkaufte Platten schwer. Die zwei Jahre alte CD Aufgeign statt niederschiassn, steht knapp vor sensationellem Vierfachplatin (200.000 verkaufte Stück).

Das neue Werk, Omunduntn, bilanzierte binnen vierzehn Tagen mit Platin. Spätestens im Juli sollen 100.000 Stück abgesetzt sein. Für diese CD legte Goisern ein Stück Rock-Urkraft ab, um sich musikalisch auf sensiblere, fast schon avantgardistische Wege zu begeben. Die Zutaten zur musikalischen Mischung sind raffinierter, sorgsamer gewählt.

Hubert von Goisern in ParisEiner flog über den Ozean. Dieser Erfolg gibt dem notorischen Querdenker und seinem Stil recht: Einer reizvollen Fusion von traditioneller Volksmusik und Rock, ergänzt durch Stilelemente von Reggae bis Rap. Auch die clevere Medienarbeit zwischen Provokation und Verweigerung hat gegriffen. Niemand kann heute behaupten, das Hiatamadl sei ein schneller Zufallserfolg gewesen. Um die Haltbarkeit des Phänomens zu testen, begab er sich nun über den Ozean.

"Schon vor sechs Jahren, mit unserer ersten Platte, wollte ich nach Japan. Mit welcher ins Lächerliche gehenden Ernsthaftigkeit sich die Japaner unsere Kultur einiziagn, hat mich auf diesen Gedanken gebracht. Aber ohne nationalen Erfolg gab es da keine Chance. Über die deutschsprachigen Grenzen zu gehen, hat mich immer fasziniert!"

Diesmal, mit reichlich Edelmetall gestärkt, klappt es. Nach einem Live Auftritt im Pariser Radio France Inter sitzen die Alpinkatzen im Jet nach Texas. In Austin spielen sie als eine von 450 Bands bei Amerikas größtem Musikfest und -Messe, dem "South by Southwest"-Festival, vor 300 Zuschauern in einem (ausverkauften) Club. Angetane Amis, Rufe nach Zugaben, Kommentare wie "terrific, funny, great show, unique".

"Ich sage nicht, daß sich die Mehrzahl der Amerikaner für uns interessieren wird. Aber ich glaube, daß wir dort etwas zu sagen und erzählen haben. Warum sonst kämen Zigtausende von ihnen nach Europa? Weil sie an dem, was bei uns passiert, nicht interessiert wären? Es ist spannend, das auszuprobieren."

AlpinkatzenCrazy Austrians. Der Münchener Goisern Manager Hage Hein nützt das dichte Aufkommen an Machern aus der Musikbranche, um sinnvolle Kontakte in Richtung Platten und Konzertbranche zu suchen. Doch die entscheidende Station ist die nächste: New York. Goiserns Plattenfirma BMG Ariola, die des Österreichers CD in den USA (noch) nicht veröffentlichte, war von der Hartnäckigkeit, mit der die crazy Austrians es wissen wollen, sichtlich verwirrt.

Hage Hein: "Zuerst haben sie nur gemeint, wir sollte halt fahren, wenn wir das glauben, sie können's ja sowieso nicht verhindern."

In letzter Minute versuchte das BMG Team dann doch noch sein Äußerstes an Hilfeleistung. Die Früchte: Ein Radiointerview auf WBAI 95,5 FM und eine gigantische Presseliste von der New York Times bis zu Journalisten aus Brasilien und Israel beim Konzert im "The Cooler", einem kleinen Club in der 14. Straße in Manhattan

"In der Nacht vor unserem Auftritt war ich im 'Cooler', um die Atmosphäre einzuatmen. Auf der Bühne eine Band mit unglaublichem Groove. Irrsinnig gute Musikanten, die sonst mit Miles Davis spielten. Aber: So richtig was Besonderes war's nicht. Eine Nummer wie die andere. Da habe ich mir gedacht: Wir haben schon ein wesentlich breiteres Spektrum. Ich glaube nicht, daß mir bei einmal so fad wird wie bei einer 08/15-Funkpartie, die stundenlang gleich klingt."

Die Chance. Den versammelten Vertretern von Plattenfirma und Medien will er mit 140 Minuten Neuer Österreicher Volksmusik zeigen, was heimische Katzen zu leisten vermögen: Leiseste Volkslieder, lauteste Rocksongs ein Instrumentarium von Horn über Ziehharmonika, Gitarre und Trompete bis zur Pfeife, schräg-witzige Zwischenkommentare in perfektem Englisch. Wie besessen kämpft Goisern um den neuen Kontinent. Motto: Du hast keine Chance, also nütze sie.

Hubert von Goisern beim Alamo"Du gehst raus und merkst: Den Leuten taugt's. Nach einer Zeit glaubst du, das ist möglicherweise die laute Minderheit, und die Schweigende Mehrheit kann nichts damit anfangen. Ich bin dann teilweise einen Meter hinter mir gestanden, hab' mir selber zugeschaut und mir gedacht. Schau, irgendwie funktioniert das."

Schnelle Berühmtheit. Um halb zwei Uhr, nach drei Zugaben, treten anwesende Auslandsösterreicher zum Schulterklopfen an. Zur selben Zeit arbeitet das Management hart an der Kontaktpflege. Ein US-Manager bietet an: "Gib mir die Gruppe einen Tag, ich mache sie berühmt." Hage Hein mag dem Mann mit gutem Grund nicht wirklich trauen.

"Die Lust, international zu arbeiten, ist teilweise während dieser Reise sehr groß gewesen. Man muß die Sache aber so sehen: Das sind Euphorien, die mit dem momentanen Empfinden zu tun haben. Man muß abwarten, was übrig bleibt. Ich habe es teilweise als total absurd empfunden, in den Schluchten New, Yorks herumzugehen und an mein Haus in Goisern zu denken. Dieser extreme Gegensatz war unpackbar. Keine Ahnung, wie es mir geht, wenn ich das reflektiert habe."

Die Mode-Linie. Gut möglich, daß dem Abenteuer USA, Teil 1, vielleicht noch heuer der zweite Teil folgt. Auch wenn nach der von NEWS präsentierten Tournee im April noch eine Menge Arbeit ansteht. Eine Hauptrolle in einem ZDF-TV-Film, das eigene Filmprojekt, eine Live-CD und eine eigene Modelinie. Doch das US-Feeling war bezwingend genug, um bald prolongiert zu werden. Obwohl der Goiserer in den Staaten nach heimischer Lebensqualität hungerte.

"Mir fehlen dort Charme und Gemütlichkeit. Alles Fassade. Man kann zwar viel mehr verschiedene Tequilas bestellen, aber alle sind lieblos zubereitet. Amerika ist zwar ein Land mit tausend Facetten und Gegensätzen. Aber es fehlt die Liebe zum Detail."

Hubert von Goisern und die Alpinkatzen

Paris - Texas - New York

ME Sounds 1994 | Text: Hubert von Goisern | Fotos: Karl Forster

Reisetagebuch eines Grenzgängers

Hubert von Goisern, erfolgreichster Vertreter der neuen Jodel-Rock-Welle, und seine Alpinkatzen erfüllten sich den Traum aller Musiker. Sie spielten in den Staaten - und ernteten begeisterten Applaus.

Hubert von Goisern

Montag, 14. März 1994

Streß in München. Auftritt bei Live aus dem Alabama, der erste in einer großen Stadt mit dem Programm der neuen Platte Omunduntn. Lief ziemlich gut. Anschließend die Verleihung der 4. Platinplatte aus Österreich. Ein guter Tag, ein guter Anfang eines vielleicht aberwitzigen Unternehmens.

Alpinkatzen

Dienstag, 15. März 1994

Abflug nach Paris. Alle sind gut drauf, aber auch ein bißchen aufgeregt. Wir spielen zum erstenmal außerhalb des deutschen Sprachraums auf einem Festival am Stadtrand von Paris. Telefonat mit daheim. Casino Salzburg hat, im Viertelfinalspiel um den Europacup, gewonnen.

Hubert von Goisern in ParisMittwoch, 16. März 1994

Flug über den Teich. Dann der Zusammenbruch. Wir waren 26 Stunden unterwegs, kamen bei 20 Grad im Schatten in San Antonio an. Waren um 4 Uhr morgens im Hotel, haben alles ausgepackt und dann erfahren, daß es keine Zimmer gibt. Falsch gebucht. Wir packen wieder zusammen, finden irgendwie 13 Betten. Bin total am Ende.

Donnerstag, 17. März 1994

Sightseeing in San Antonio. Grauenvoll- Komme mir vor wie ein Sonnnerfrischler im Salzkammergut oder auf dem Salzburger Domplatz. Das ist eine Art von Tourismus, auf die ich überhaupt nicht steh. Bin eher depressiv. Das fürchterliche Essen im Flugzeug liegt mir noch im Magen. Hab' aber villeicht auch zuviel getrunken.

Freitag. 18. März 1994

Flug nach Austin. Hier ist es auch nicht besser Alles ist so funktionell. so rational. Alles ist Fassade. Überhaupt: Mir fehlt die Heimeligkeit die Gemütlichkeit. Ich komme leider nicht raus aufs Land. Texas countryside. Das stell' ich mir schön vor.

Alpinkatzen

Samstag, 19. März 1994

Vor dem Auftritt bin ich fürchterlich aufgeregt. Beim "South by Southwest-Festival" spielen schließlich mehrere hundert Bands 25 oder 30 Bars, jede Stunde ist Wechsel. Unser Auftritt ist um Mitternacht. Das Musikalische Niveau ist irrsinnig hoch. Die spielen alle wie die Weltmeister und grooven wie die Hölle. Wir sind natürlich die Exoten. Aber es ist schön zu spüren. daß wir genauso grooven wie die. Die Organisation ist miserabel. Im Club ist eine wunderbare Atmosphäre, unheimlich dicht, nicht nur, weil da vierhundert Leute drin sind und draußen noch hundert warten. Uns hat's getaugt, den Leuten hat's getaugt, es war Klasse.

Hubert von Goisern in New YorkSonntag, 20. März 1994

Wir fliegen mit gutem Gefühl nach New York. Wir wissen: Es funktioniert. Ankunft am JFK. Wir sind hundemüde. Aber Du spürst sofort die Energie dieser Stadt, die Impulse. Diese Kraft ist förmlich in uns hineingefahren. Wir gehen um 1 Uhr nachts nach dem Einchecken im Hotel noch auf die Straße. Spazieren herum und kriegen den Mund nicht mehr zu, daß es sowas gibt. Ich hab mir New York so gefährlich vorgestellt, doch all die gemischen Gefühle sind verschwunden, wenn du siehst, wie nett die Menschen miteinander umgehen. Ich spüre eine tiefe Sympathie für diese Leute, weil sie es in so einer Stadt schaffen, immer noch gut drauf zu sein.

Montag, 21. März 1994

Nachmittags Besuch bei BMG Ariola im Bertelsmanngebäude, 42. Stock, bei Heinz Henn. Einem der drei Bosse. Singen ein Gstanzl mit Blick über Manhattan. Lassen uns erklären, wie das Geschäft funktioniert in der großen, weiten Welt. Erfahren aber nichts Neues. Eine der wichtigsten Erfahrungen von New York: Ich habe niemanden getroffen, der noch verrückter gewesen wäre, als wir es sind. Wir haben dann ein bißchen Straßenmusik gemacht mit den Kuhglocken. zusammen mit einem Saxophonisten am Times Square.

Dienstag, 22. März 1994

Rauf auf das World Trade Center. Oben auf dein Dach. das ist wie ein Flug über die Stadt. Wie auf dem Gipfel stehen, mir. daß dieser Gipfel von Menschen gemacht ist. Und darin haben wir in New York gespielt. In einem Club. "The Cooler". Ich war so etwas von hypernervös, weil ich nicht gewußt habe: Geht das in dieser Stadt. in der das Angebot so irrsinnig groß ist, in der jeder mit sich selbst beschäftigt ist, in der jeder zum Egozentriker werden muß, nur um zu überleben. Ja. Wir haben gespielt. Vor etwa 200 oder 300 Leuten. Hochmnotiviert, hochkonzentriert. Wir wollten es denen zeigen. Und haben das auch geschafft. Die Leute waren total drauf, waren in einer Euphonie, wie ich es mir niemals er träumt hab'.

Hubert von Goisern

Yodelling in den Schluchten von Manhattan

Süddeutsche Zeitung 25. März 1994 | Text: Karl Forster

Unterwegs mit Hubert von Goisern, der als erster Vertreter des neuen Alpenrocks
den Sprung über den Atlantik gewagt hat

New York, im März - Zu behaupten, ganz New York sei seit Dienstagabend dem Jodel-Wahnsinn anheim gefallen, wäre übertrieben. Doch haben nach diesem Abend sicher einige Leute aus Brooklyn, Queens oder Manhattan probiert, wie das mit dem Stimmschnackler funktioniert und festgestellt, daß "Yodelling"
halt besser klingt, wenn es aus original österreichischen Kehlen kommt. Diese Leute aber haben mit standing ovations belohnt, daß sich ein junger Mann aus dem Tale nördlich des Dachsteins aufgemacht hat, Jodler, Landler und Gstanzln einem Publikum zuzuführen das eigentlich nur aggressivsten Gangsta-Rap oder
wummernden Dancefloor ans Ohr läßt.

Sie haben verstehen gelernt, warum Hubert von Goisern und die Alpinkatzen sich auf die Fahne geschrieben haben, "die Volksmusik nicht den Rechten, Traditionalisten und Kulturwesern zu überlassen". Er hat es den Leuten im Rock-Club "The Cooler" an New York's 14. Straße in lupenreinem Englisch mitgeteilt. "I come from Bad Goisern" hat Hubert ins Mikrofon gesagt und erklärt, er hat nun angetreten, seine geliebte Volksmusik auf eben seine Weise zu spielen, um sie den Vertretern des "Alpine Junk Folk", den und Mariannes und Michaels wegzunehmen.

Es war ein Stück Arbeit an diesem Abend. Nicht nur, daß Hubert und die Alpinkatzen eine anstrengende Wochentour mit Stationen in Paris, Austin (Texas) und nun New York absolviert haben. Wer als gänzlich noch viel unbekannteren Musik Club im westlichen Greenwich Village tritt, dem wird nun wirklich nichts geschenkt. "The Cooler" - ein enger, niedriger, mit kalter Lackfarbe gestylter Keller mitten im Schlachthofgebiet direkt neben einem Kühlhaus.

Das Publikum - die für die Stadt typische Mischung aus Szenegängern und Trendsuchern, sehr jungen Mädchen und sehr schönen Männern, farbigen Intellektuellen und weißen Party-Promotern, und - dem Anlaß gemäß - einer Schar Österreicher, die sich zwischen Hudson und East River niedergelassen haben. Man kam, um sich sehen zu lassen, nicht um zu lauschen. So herrschte zu Beginn des ersten Sets kühles Desinteresse. Der Applaus war nicht einmal höflich.

Hubert schwitzt. Wischt mit dem Handtuch übers Gesicht. Hält sich nicht auf mit Monologen zwischen den Liedern, sondern zieht das Programm mit den Songs seiner in deutschsprachigen Ländern so erfolgreichen Platte Aufgeigen statt niederschiassen durch. Versucht, das Wort-Gewaber und Gelächter dort drunten zu vergessen. Denkt zwischendrin, daß es doch ein wenig verrückt ist, in der heißesten Musikmetropole der Welt das Hiatamadl, den Wildschütz-Räp oder den Ausseer Landler zu spielen; er denkt vielleicht an die Worte Heinz Henns, der ihm tags zuvor gesagt hat, Musiker wie er sollten besser dort bleiben, wo man sie versteht und mag. Doch es gehört zum Programm der Tour, eben diesen Herrn Henn zu überzeugen, daß zumindest New York und vielleicht ganz Amerika nur auf Hubert von Goisern und seine Alpinkatzen gewartet hat.

Heinz Henn ist einer der drei Oberbosse der Plattenfirma BMG, die dem deutschen Bertelsmannkonzern gehört. Die Medienmakler aus Gütersloh konnten vor ein paar Jahren, nach einer 400 Millionen Dollar-Pleite amerikanischer Investoren, einen hübschen Wolkenkratzer direkt am Times Square erwerben. Zum Konzern gehört die deutsche Ariola, die Hubert von Goisern zuhause auf den Markt gebracht hat. So gesehen, hatte der Besuch der Alpinkatzen bei Heinz Henn durchaus einen Sinn, weil unter seiner Ägide etwa Whitney Houston von der jüngsten Scheibe Bodyguard zehn Millionen Stück verkauft hat. Hein Henn war zwar angetan von der Vorstellung, die Hubert und seine Katzen "Unplugged" in seinem Büro über dem Broadway gaben, doch konnte er Skepsis nicht verhehlen "Wenn du hier nicht weit mehr als eine Million Scheiben verkaufst", sagt er, "verdienst du keine Müde Mark." Hubert von Goisern brachte es zuhause auf knappe 400.000.

Gilbert kommt aus Brooklyn. Doch der 29 Jahre alte farbige Filmemacher mit Vorliebe für Charly Parker und Miles Davis hätte Henn sicherlich widersprochen. Zwar hatte er, als Hubert zu Anfang ganz alleine die Bühne enterte und auf der Steirischen Ziehharmonika zu spielen begann, seine Freundin angemault, ob er sich dieses Gedudel den ganzen Abend anhören müsse. Doch schon in der Pause sagte Gilbert, das sei überraschenderweise "a very interesting combination of music". Und auch die von Heinz Henn ins "Cooler" beorderte BMG-Marktforschungs-Mannschaft hatte aufgehört sich zu unterhalten und lauschte interessiert den fremden Klängen.

In Texas, auf dem "South by Southwest" Festival, war es verhältnismäßig einfach, das Publikum in ähnliche Verzückung zu bringen, wie man es zuhause gewohnt ist, hat doch der Texaner, vornehmlich den Cowboy, das "Yodelling" in der Countrymusic etablieren in New York gelingt das mit dem zweiten Set. Plötzlich herrscht angespannte Ruhe, ist das Partygetöse einer innigen Konzentration gewichen. Gilbert steht in der ersten Reihe, wiegt sich im Rhythmus zur Goisernschen Version von Blue Monk, summt leise mit den dritten Zugabe, einem ganz und gar original gejodelten Alperer. Er würde, sagt er dann, gerne diese Scheibe kaufen. Ein erster Schritt zur ersten Million.