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INTERVIEW

"Wir können besseren Fußball als ihr zusammenbringen"

RUND 16. Juni 2008 | Text: Matthias Greulich | Foto: © Manfred Klimek

Hubert Achleitner benannte sich nach seinem Heimatort in Oberösterreich. Als Hubert von Goisern wurde er mit Alpenrock berühmt. Der Musiker ist Fußballfan und hofft heute auf einen Sieg gegen Deutschland.

Hubert von GoisernHerr Achleitner, die Frage die Österreicher und Deutsche heute beschäftigt: Wie geht das Spiel aus?

Alles ist möglich, das haben wir am Donnerstag gesehen: Wer hätte sich so ein Spiel der Deutschen erwartet? Ich mache gerade meine Linz-Europatour und bin voriges Jahr mit meiner Band auf einem Schiff in den Osten gefahren. Vor zwei Wochen war ich in Offenbach, dort kam ein Journalist und sagte: "Also diese völkerverbindende Idee in Richtung Osten kann ich ja noch verstehen. Aber jetzt Richtung Westen gibt es ja keinen Bedarf an solchen Aktionen." Ich sagte: "Wart mal ab, das ist vielleicht noch mehr notwendig, nachdem wir euch aus der Vorgruppe eliminiert haben." Das fanden die überhaupt nicht lustig.

In Ihrer Heimat beschwören Ihre Landsleute seit Monaten das "Wunder von Wien".

Vielleicht tun sie das zu häufig. Überraschungen sollten Überraschungen sein und können nicht geplant werden.

Werden Sie im Stadion sein?

Ich habe eine Karte. Ich wusste nicht, dass es so dramatisch ist. Ein Freund rief mich an und sagte, er habe Karten für da Spiel in Wien und fragte "Magst du gehen?" Ich habe natürlich ja gesagt. Ich gehe mit meinem deutschen Manager, wir haben uns versprochen, auch hinterher noch miteinander zu reden - egal wie es ausgeht.

Sind Sie Fußballfan?

Ja, generell bin ich ein Sportfan. Ich finde Fußball als Kollektivsport hoch interessant. Es hat ja auch ein bisschen was von einer Band, wo man diesen gemeinsamen Geist mobilisieren muss.

Hat die Situation auf dem Schiff etwas von einem langen Trainingslager, wo man sich auch mal auf die Nerven geht?

Natürlich gibt es ab und zu Konfliktsituationen. Aber dadurch, dass niemand weggehen kann, muss das immer gleich gelöst werden. Das ist viel besser als schwelende Konflikte zu haben. Wir sind 26 Leute an Bord und da findet schon jeder eine Entsprechung für seinen Vogel und seinen Film, den er laufen hat.

Haben Sie in der Schule in Bad Goisern Fußball gespielt?

Ja, natürlich.

Auch mit Jörg Haider, der dort ebenfalls aufwuchs?

Nein, der ist zwei oder drei Jahre älter als ich und das sind Welten in der Schule. Ich habe ihn persönlich nicht getroffen. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern.

Haider hat sich als Landeshauptmann von Kärnten auch während des Turniers zu Wort gemeldet. In Klagenfurt scheint die Bevölkerung Angst vor den EM-Touristen zu haben.

Ich war jetzt nie unten, ich weiß nicht, wie die Kärntner damit umgehen. Aber es sind jetzt nicht alle Kärntner doof. Aber es ist natürlich ganz klar: Wenn du so einen wie den Haider hast, der als Landeshauptmann meinungsbildend ist, und mit seiner Xenophobie, die er verbreitet, dass das irgendwo in den Köpfen bleibt. Und dass sie glauben, dass alle, die nicht Kärntner sind, seien eine Gefahr. Das kann ich mir ohne weiteres vorstellen. Ich habe einige sehr gute Freunde in Kärnten und weiß, dass sie auch sehr darunter leiden, dass die Situation so ist.

In Wien beklagen sich die Wirte, die ihre Verkaufsstände schon morgens um neun Uhr geöffnet haben müssen, obwohl niemand kommt.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich für zivilen Ungehorsam bin, in dieser Sache. Ich finde es krank, dass man sich diesen Vorschriften beugt. Natürlich muss man sagen, ja, es gibt Verträge, die unterschrieben wurden, sonst hätten wir die Euro nicht bekommen. Wenn kollektiv ein ziviler Ungehorsam praktiziert wird, kann auch die Ordnungsmacht nichts dagegen tun.

Auf Ihrer Homepage kann man während der EM den Song Rotz & Wasser von Ihrem neuen Album S'Nix kostenlos herunterladen. Sie vertonen darin die legendäre Radioreportage von Heribert Meisel, der das denkwürdige 7:5 der Österreicher im Viertelfinale der WM 1954 gegen die Schweiz kommentiert. Was fasziniert Sie an Meisel?

Er war ein großartiger Entertainer. Als ich mit Rotz & Wasser fertig war, habe ich über ihn im Internet recherchiert und eines seiner Bücher gelesen. Man muss sich vorstellen: Meisel wurde auf einen Kongress eingeladen und hat dort ein fiktives Spiel kommentiert. Er schrieb, dass es das Schlimmste war, wenn er ein Spiel direkt neben den Zuschauern kommentieren musste, die ihm sagten: "Das, was du sagst, das passiert ja gar nicht." Und wenn er das Spiel so kommentierte, wie es wirklich war, war es für die Zuhörer zuhause fad. Er war ein sehr empathischer Reporter. Es gab ein legendäres Spiel, das so grottenschlecht gewesen sein muss, dass er den Leuten sagte, sie sollten ihr Radio abdrehen oder irgendetwas anderes hören. Er sei dazu verdammt, sich das Spiel die vollen 90 Minuten lang anzuschauen. Er hat ein Spiel kommentiert - ich glaube es war sogar gegen Deutschland -, wo er die Gegentore für Österreich so zelebriert hat, dass er anschließend Drohbriefe bekam und ihm mit der Entlassung gedroht wurde. Das hat er nicht verstanden, denn er hat für den Sport gelebt. Diesen Respekt vor den Leistungen anderer, den finde ich super.

War das Kabarett, oder hat Meisel das aus dem Moment heraus geschöpft?

Er hat gewusst was wirkt und wie es wirkt. Er hat das alles lernen müssen und es darin zu einer großen Meisterschaft gebracht. Er hatte da schon auch Formeln. Gewisse Sachen musst du auch üben, die kannst du so schnell nicht aussprechen. Er überspielt einen Schweizer, er überspielt zwei Schweizer, er überspielt drei Schweizer. Sag das einmal so schnell, wie es der sagt. Das ist Wahnsinn. Der muss das lange geübt haben.

Seine Aussage "Wir nehmen das alles nicht so ernst" scheint die Grundhaltung des österreichischen Fußballs zu sein.

Die Geschichte hat uns durchgeschickt durch alle Engpässe. Aber beim Skifahren hört sich der Spaß auf. Da, wo wir gut sind, wird es dann auch ernst.

Ist Sieger die Vereinshymne von Red Bull Salzburg?

Beinahe, in der Form, wie es jetzt auf der Platte ist, ist es nicht die Hymne. Ich habe diesen Textteil, der dazwischen ist, habe ich neu dazu gemacht. Wir haben es als Hymne so produziert, dass es auf der Anlage im Stadion gut kam. Als Track auf der CD hätte etwas gefehlt. Herr Mateschitz (der Firmenchef von Red Bull, Anm. d. Red.) wollte keinen Text haben, worüber ich mich gefreut habe, denn ich hatte den Zugang damals noch nicht. Ich dachte, wenn ich einen Text mache, müssen Sieg und Niederlage darin vorkommen.

Es heißt darin, dass man sich eigentlich selber ansieht, wenn man dem Gegner in die Augen schaut.

Du kannst dich nur selber besiegen, glaube ich. Wenn du eine Leistung bringst, die besser ist als alles, was du bisher geschafft hast - dann hast du gesiegt. Wenn es einen gibt, der besser ist, dann ist der besser. Die Auseinandersetzung ist in erster Linie auch immer eine mit dir selber. Gerade im Fußball werden die Spiele nicht nur mit der Technik, sondern mit dem Kopf gewonnen. Das ist auch heute unsere Chance. Natürlich haben wir nicht so gute Fußballer wie die Deutschen. Was aber nicht heißt, das wenn wir im Kopf stark und fit sind, euch besseren Fußball als ihr zusammenbringen und euch schlagen.

Trotz Ihrer Hymne war auch Red Bull Salzburg in der abgelaufenen Saison ein Beispiel für das Straucheln eines Favoriten.

Genau. Die haben einen unglaublichen Kader und haben es nicht geschafft, ein zweites Mal Meister zu werden. Du musst es auch wollen und musst etwas dafür tun. Und dann kommen Sachen dazu, die du dir gar nicht selber antrainiert hast. Die passieren dann einfach. Wo du plötzlich den Ball triffst, dass er den Weg ins Tor findet.

Sie sind in Salzburg zuhause, kennen Sie Spieler von Red Bull?

Nein, ich habe keinen persönlichen Kontakt zu Fußballern. Mich interessieren Sportler im persönlichen Gespräch erst, wenn sie eine gewisse Reife haben und ihren Sport nicht mehr als Wichtigstes ansehen. Ich finde es sehr bedauerlich, wie wenig Sportler außerhalb des Spielfelds mitbekommen.