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Mein Leben, ein Weg

Bulletin Juli 1998 | Text: Hubert von Goisern

Fühlt sich grundsätzlich überall daheim, wo Berge sind: Liedermacher Hubert von Goisern

Hubert von Goiserns Betrachtungen zum Geben, Wandern, Natur Erleben und den damit verbundenen Wechselwirkungen zu seinem künstlerischen Schaffen.

Hubert von GoisernStets war und ist mein Leben Bewegung, Veränderung. Stets hab' ich die Weit bereist, viele Menschen, Völker und neue Landschaften kennengelernt. Das war mir immer sehr wichtig! Denn durch das Reisen bekommt man ein viel objektiveres Bild von seinem innersten Ich, aber auch von der Umgebung, in der man aufgewachsen ist, die man seine Heimat nennt.

Wo immer ich war, hab' ich versucht, mit der Natur Kontakt aufzunehmen, sie in mich aufzunehmen. Denn Natur macht mein Leben schön und lebenswert. Und sie voll und ganz zu erleben scheint mir eine gute Zugangsmöglichkeit zum Fühlen und Denken der in einer bestimmten Landschaft lebenden Menschen zu sein. Denn die Menschen werden von der Landschaft geprägt! Und, was für mein künstlerisches Schaffen wichtig ist, die Landschaft prägt die Musik der Menschen und ihre Ausdrucksformen.

Grundsätzlich fühl' ich mich überall dort daheim, wo Berge sind. Ob in Kanada, auf den Philippinen oder in Nepal, immer dann, wenn ich über eine längere Periode keine Berge seh', fühl' ich mich irgendwie entwurzelt. Besonders prägend ist aber sicherlich die Landschaft, in der man aufgewachsen ist. Für mich ist es immer noch ein Privileg, in eine der einzigartigsten Berglandschaften der Welt hineingeboren worden zu sein - in die des inneren Salzkammergutes. Noch heute gibt sie mir Kraft, noch immer zehre ich von meinen ersten 22 Lebensjahren, die ich dort verbracht habe. In unserer technisierten Welt, in der, wie mir scheint, nur das Meßbare mehr geworden ist, läßt sie mich zur eigentlichen Substanz des Lebens zurückfinden und hilft mir, meine "Batterien wieder voll aufzuladen".

Um aber eine Landschaft wirklich mit allen Sinnen erleben, sie in sich aufnehmen zu können, muß man sich darin "ergehen", sie erwandern und dafür muß man sich Zeit nehmen. Eine ausgedehnte sommerliche Bergtour muß oft noch vor Sonnenaufgang begonnen werden, um der Tageshitze ein wenig zu entgehen. Dazu muß ich mich zuerst einmal überwinden, sehr früh aufzustehen, vielleicht schon um vier Uhr früh. Ich muß mich körperlich und geistig ganz darauf einstellen, was die Tour von mir fordern wird.

Wenn dann bereits einige Stunden des Weges geschafft sind und die Sonne aufgeht, sind schon alle Sinne geschärft, um die Vielzahl an Eindrücken aufzunehmen: die saftiggrüne Almwiese oder das Knirschen des Felses unter den Füßen, das leise Murmeln der nahen Quelle, das Zwitschern der Vögel in den Bäumen, der Hauch des Windes auf der Haut. Der veränderte Klang deiner Stimme im Echo. Der Anstieg ist vielleicht schweißtreibend; du fühlst deine Lungen arbeiten, spürst den ganzen Körper. Nachher werde ich mich zwar müde, aber innerlich gereinigt fühlen.

Nach und nach "findest" du deinen Schritt. Große Entfernungen und stetige Anstiege werden nun fast automatisch bewältigt. Jetzt ist der Kopf nicht mehr aktiv mit dem Gehen beschäftigt; jetzt ist der Geist frei für die aufgenommenen Eindrücke aus der Landschaft, frei für Inspirationen, frei, diese mit den neuen Sinneseindrücken zu verschmelzen, Neues daraus zu formen.

Und das Gehen macht auch frei von den dauernden Ablenkungen unserer hektischen Zeit. Selbst wenn ich mit Freunden zusammen auf Tour gehe, wird nicht viel gesprochen. Jeder ist mit sich selbst und mit der Natur beschäftigt. Erst während der Rast wird das Erlebte besprochen, werden Eindrücke ausgetauscht. Wenn du ohne Begleitung aufbrichst, fühlst du dennoch nur selten Einsamkeit; und wenn doch, dann hilft sie dir sogar, den Kopf noch leichter von allem Belastenden freizubekommen.

In der Natur, und da besonders in den Bergen, finde ich alle Stimmungen und Veränderungen, wie im Leben. Viele Menschen in der Stadt haben den Bezug zur Zeit verloren oder haben sich selbst ganz andere Zeitmaßstäbe gesetzt. Hier draußen erlebe ich das Werden und WiederVergehen noch ganz stark. Im Ergrünen und Erblühen der Landschaft im Frühjahr, dem Verfärben und Abfallen der Blätter im Herbst, in der frostigen Stille des Winters, aber auch in den über lange Zeiträume wiederholten Begegnungen mit einheimischen "Originalen", die selbst fast schon zur Landschaft gehören, ist ganz sicher die Basis für viele meiner Lieder (z. B. Heast as nit, Wieder Hoam, Weit, weit weg und Goisern) zu finden.

Gehen bzw. Wandern hat für mich auch viel mit Freiheit und Freisein zu tun. Hin"gehen" zu können, wo man will, ist eng verbunden mit "seinen Visionen und Ideen nachgehen" können beim Gehen, und dies wieder mit dem "frei sagen können, was man will". Ein Zusammenhang, der mir besonders auf meinen Reisen ins doch so unfreie Tibet klar wurde.

Meine Faszination an der Natur hat wahrscheinlich auch indirekt meine Bühnenkarriere gefördert. Es ist ja ganz logisch, daß du jene Eindrücke, die dich bewegen, auch anderen Menschen mitteilen willst, du sie daran teilhaben lassen willst. Und am besten kann ich meine Gefühle und Erlebnisse halt mit Hilfe der Musik ausdrücken. Die Bühne ist sozusagen zu meiner Natur geworden! Und diese habe ich mir immer "ergangen".

Hubert von Goisern