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AFRIKA & TIBET

Alpinkatze am Mount Everest

Rolling Stone Juli 1999 | Text: Christian Stolberg

Nach Auflösung seiner Band haben Erlebnisse in Tibet und Afrika Hubert von Goisern
zu zwei exotischen Platten inspiriert

Der sprichwörtliche Tag danach: Im Winter 1994/1995 muß sich Hubert von Goisern so ähnlich gefühlt haben wie Topmanager, die nach Jahren voller hochbezahltem Dauerstreß plötzlich weiße Blätter im Kalender vor sich haben. Psychologen wissen darum aus den Leidengeschichten unzähliger Gekündigter und Aussteiger. Goisern, müde von der permanenten Tretmühle aus Tourneen und Studiosessions, war im Begriff, nach sehn Jahren seine Band Alpinkatzen aufzulösen, mit der binnen weniger Jahre die verschlafene Welt des Austropop auf den Kopf gestellt. "Ich war nur auf Output programmiert gewesen, und wollte mal wieder dazu kommen, Bücher zu lesen, andere Menschen zu treffen, neuen Ideen kennenzulernen, andere Musik zu hören - aber außer dem Wunsch, mit dem Medium Film zu arbeiten, hatte ich keine konkreten Vorstellungen," so erinnert sich der Musiker aus dem Alpendorf Goisern.

Dieser unbewußten inneren Bereitschaft schreibt Goisern heute zu, daß innerhalb von zwei Jahren gleich zwei starke Frauen zu ungewohnlichen Projekten in exotischen Gegenden anregen konnten. Die 40jährige Exil-Tibeterin Tseten hatte Goisern bereits im November 94 gebeten, eine Konzertreise tibetischer Musiker durch Österreich als Moderator zu unterstützen. Im Mai 1995 fand sich Goisern mit der "Free Tibet"-Aktivistin am Fuße des Mount Everest wieder. Die nicht zuletzt durch den an ihr Leben angelehnten Hollywood-Film Gorillas im Nebel mit Sigourney Weaver berühmt gewordene Verhaltensforscherin Jane Goodall hingegen wurde Goisern Ende 1994 vorgestellt, als er gerade das Abschieds-Livealbum seiner Alpinkatzen abmischte. Im Februar 1997 besuchte Goisern die Engländerin in ihrem legendären Forschungslabor in Gombe am Tanganjika See im Tansania.

Beide Reisen hatten für den Künstler aus der Alpenrepublik auch politische Implikationen: "Tseten hatte mir während unserer ersten Zusammenarbeit soviel Grauenvolles über die Unterdrückung ihres Volkes durch die Chinesen erzählt, daß in mir auch Zweifel wachgeworden waren. da hab' ich ihr gesagt: "Tseten, ich glaub' dir nicht alles, was du erzählst - wir fahren da jetzt hin, du kennst es auch nur vom Hörensagen, schließlich warst du nie dort, seit du als Zweijährige mit deiner Familie dieses Land verlassen hast." Die entsagungsreiche Expedition mit gefälschten Visa konfrontierte Goisern "mit einem unglaublich repressiven System. Die westliche Berichterstattung ist in Details zwar einseitig, aber im Generellen stimmt das Bild, das vermittelt wird. Die Chinesen versichen, das religiöse und damit auch kulturelle Rückgrat der Tibeter zu brechen."

Um auf die Tragik im Himalaya aufmerksam zu machen, hat Goisern mit im Exil lebenden Künstlern des Tibetan Institute of Performing Arts in Indien und Salzburg das Album Inexil aufgenommen. "Ich hab ihnen erzählt, wie ich für meine eigenen Lieder Motive der Volksmusik aus dem verstaubten Heimatmuseum herausgeholt und mit Texten und Klängen versehen habe, die der heutigen Zeit entsprechen. Ich habe den Tibetern vorgeschlagen, dasselbe mit ihrer Musik zu machen, um nicht nur Ethno-Spezialisten und werdende Buddhisten zu erreichen."

Von seiner Reise zu Jane Goodall brachte er den bereits im ORF und im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlten Dokumentarfilm Von Goisern nach Gombe mit, ein von ihm angeregtes Porträt der Primatenforscherin und Umweltaktivistin. "Sie strahlt eine absolute Magie aus, ist eine Performerin mit einem großen, Bühnenbewußtsein - darin sind wir uns total ähnlich." Mit diesem Film wollte Goisern den politischen Kampf Goodalls für den Arten- und Umweltschutz unterstützen. Sein jetzt unter dem knappen Titel Gombe veröffentlichter Soundtrack dagegen ist von der Primatenforscherin inspiriert: "Jane hat mir von einem Labor in Afrika erzählt, wo Schimpansen in Käfigen gehalten werden. Sie wolle dort eine Musikanlage installieren lassen, um die Tiere mit Stimuli zu versorgen. Dafür wollte sie zwei Knöpfe haben, damit die Schimpansen wählen können, ob sie lieber Mozart oder Michael Jackson hören wollen. Ich hab gesagt, es muß noch ein dritter Knopf drauf, damit die Schimpansen sich selber hören können. Leider gab es so etwas noch nicht. Dadurch bin ich auf die Idee gekommen, eine Nummer aus lauter Tierlauten zu machen - aber keine bloße Geräuschcollage, sondern richtige Musik! Das war dann der erste Track für das Album."

Die Zeit und der Zufall

FF 4. Juli 1998 | Text: Georg Mair | Fotos: Ludwig Thalheimer

Die Wandlung des populären Musikers, die Rolle des Zufalls, die neuen Alben und das neue Programm. ein Gespräch mit dem Begründer der "Neuen Volksmusik", der vor vier Jahren abgetreten ist und im nächsten Frühjahr wieder die Bühne betreten will.

HvGMit welchem Gefühl denken Sie an ihre früheren Erfolge?

Die Zeit hatte eine ganz andere Dynamik und Qualität. es war alles durchgeplant, man hat jeden Tag gewusst, was man tut und wo man das nächste Konzert spielt. Es war kein Platz, um etwas Neues zu erleben.

War es viel zu eng?

Wie eine Familie. Wir sind herumgezogen wie ein Zirkus, ein Tross von 20 Leuten mit einem eigenen Koch. Aber es war trotzdem etwas Besonderes, jeden Abend hinauszugehen und mit den Leuten ein Fest zu gestalten. Das ist vielleicht das, was mir momentan am meisten abgeht, ich weiß nicht mehr, was die Arbeit im die Studio für die Leute bedeutet.

Warum haben Sie damals diesen Bruch vollzogen?

Ich hatte Angst, ich könnte win fetter Karofen werden, wenn ich noch länger im Betrieb bleibe. Ich bin ja angetreten, die Starre in der Volksmusik, diese Geschlossenheit, aufzubrechen. Mit dem Erfolg hat es immer mehr Versuche gegeben mich einzuvernehmen. Ich wollte das partout nicht, aber die Erwartungshaltung der Kollegen, der Plattenfirma und des Publikums was eindeutig: weitermachen bis zum Abwinken. Mich hingegen hat nicht interessiert, ständig den gleichen Leuten die gleiche Botschaft vorzusingen, den Leuten, die schon Kopf stehen, bevor man noch den ersten Ton gespielt hat.

Ist die Suche nach dem Neuen der Grundsatz, der hinter Ihrer Arbeit steht? Sie haben zwei neue Töntrager mit tibetischer und afrikanischer Musik produziert.

Ich wollte einfach meinen Standort neu bestimmen, irgendwohin springen, wo es spannend. Dass es mich dabei nach Afrika und nach Tibet verschlagen hat, war reiner Zufall. Der Zufall hat wieder Raum in meinem Leben bekommen. Wenn du ständig unterwegs bist, passiert nicht Neues mehr, du lernst niemand Neuen mehr kennen, du triffst die Leute nur mehr für ein Händeschütteln, es ensteht keine Freundschaft mehr, weil man gerade in den Bus einsteigen und in fünf Stunden schon beim nächsten Konzert sein muss.

Wissen Sie jetzt, wo Sie bei Ihren Sprüngen gelandet sind?

Beide Sprünge - sei es nacht Tibet, sei es nach Afrika - sind aus reiner Neugier enstanden, aus dem Wunsch, mehr über eine fremde Kultur zu erfahren. Erst im Laufe der Kontakt is die Vision enstanden, die Erfahrungen in eine CD umzusetzen. Ich habe bis zum Schluss nicht gewusst, ob etwas Bruachbares dabei herauskommt.

Hubert von Goisern war letzte Woche beim Sommerfest des Filmclubs zu Gast. Der Mitbegründer der "Neuen Volksmusik" - geboren 1951 - ist vor vier Jahren von der Bühne abgetreten. Hinterlassen hat er dabei das Doppelalbum Wia die Zeit Vergeht.
In dieser Woche hat er zwei neue Alben vorgestellt. Inexil und Gombe - das Ergebnis der Zusammenarbeit mit tibetischen beziehungsweise afrikanischen Musikern. Im nächsten Frühjahr will Hubert von Goisern mit einem neuen Programm auf die Bühne zurückkehren. Versprochen hat er dabei auch einen Auftritt in Südtirol.

Wie haben Sie diese Musik zu Ihrer eigenen gemacht?

Für das Afrika-Album habe ich komponiert, das Tibet-Album arrangiert und produziert. Für mich was es der erste Versuch als Produzent. Ich wollte den Musikern aus Tibet nicht die westliche erklären, sondern ihnen mein Wissen und meine Infrastruktur zur Verfügung stellen, damit sie lernen sich auszudrücken. Und ich habe das Gefühl, es ist ihre Platte, ihre Musik. Obwohl ich aus einem Repertoire von 40 Titeln zwölf auswählen musste.

War es schwierig, die zwei Welten zusammenzubringen?

Es gab grundsätzliche Missverständnisse. Ich habe das völlig unterschätzt, weil ich sonst einfach meine eigenen Geschichten gemacht habe. Die Körpersprache ist eine ganz andere, man missversteht sich ständig. Irgenwann kommt man drauf, dass sie Ja und nicht Nein meine, wenn sie den Kopf schütteln. Für die tibetischen Musiker gibt es keine alleingültige Interpretation eines Volkslied. Jeder macht es immer wieder anders. Das hat mich zur Verzweiflung getrieben. da habe ich dann darauf bestehen müssen, dass wir uns festlegen. Wir sind deswegen immer wieder vor einer Wand zwar wahrgenommen, aber keinen Zugang mehr gefunden.

Wie viel von Ihren Emotionen steckt in dieser Musik?

Die erste Nummer auf der Tibet-CD ist ein gutes Beispiel. Die Leute, die das singen, waren noch nie in Lhasa, kennen Lhasa nur aus Erzählungen. Ich war in Lhasa und hatte mein Bild von Lhasa im Kopf. Wenn mir also jemand ein liebliches Loblied auf Lhasa vorsingt, höre ich in meinem Kopf eine Klage, sehe ich das zerstörte Lhasa, bekomme ich einen Zorn. Dementsprechend klingt diese Nummer nicht lieblich, Die Leute haben das verstanden und es a cappella gesungen (singt das Lied vor, AdR), in meinem Kopf sind dann diese hämmernden Achtel enstanden (singt wieder vor, AdR).

Wie sind Sie mit den Musikern auf einen Rhythmus gekommen?

Ich habe mir ihren Rhythmus hineinzogen, bis ich ihn im Kopf hatte, dann habe ich mit der E-Gitarre dazugespielt. Ich habe gemerkt, wie schwer sie sich damit tun, und das Lied umarrangiert, bis sie zum Grooven angefangen haben. Ich habe sie zu allem die tibetische Laute spielen lassen, um zu wissen, was sie empfinden, um zu hören, was in ihren Köpfen vor sich geht. Oder ich habe sie einfach trommeln lassen, um zu verstehen, wo ihr Puls ist.

Hubert von GoisernWas hat dieses Tibet in Ihnen ausgelöst?

Wenn ich für Tibet kämpfe, kämpfe ich für meine eigene Kultur, für die kleinen unwirtschaftlichen Flecken auf der Erde, deren Verlust trotzdem unersetzlich ist. Ich möchte die gefährdeten Sprachen - die Musik ist eine davon - bewahren, damit die feinen Unterschiede nicht sterben, damit wir die Welt aus mehreren Perspektiven betrachten können.

Sie stehen vor der Rückkehr auf die Bühne. Wie wird sich diese Rückkehr gestalten?

Ich möchte nächstes Jahr im Muarz wieder auf der Bühne stehen, obwohl ich das schon seit eineinhalb Jahren behaupte. Doch der Wunsch ist ganz groß.

Mit welcher Musik?

Einen Teil davon werden die Alben bilden, die ich gerade fertig gestellt habe, ein Teil wird aus dem alten Repertoire kommen, doch den Grundstock muss ich erst komponieren und texten.

Wie ist das, wenn Sie heute Ihre alte Sachen hören, sich selber sehen?

Wenn ich mir den Film (Wia die Zeit Vergeht von Dana Vávrová, AdR) anschaue, möchte ich ein paar Nummern unbedingt wieder spielen. Wo mit der Kern gefällt, wo ich mir denke, dass ich es mit einem anderen Ensemble ausprobieren möchte. Es wird weniger rockig werden und subtiler im Ausdruck, ohne Bass und Schlagzeug wegzuzuschmeißen. Damit der Dampf bleibt.

Wie ist es, wenn Sie sich selber sehen?

Ich schaue einem fremden Menschen zu.

Erkennen Sie sich nicht mehr?

Ich kenne mich schon, aber es ist, als würde man sich Fotos von früher anschauen und sich an ein bestimmtes Lebensgefühl erinnern. Der Kern ist derselbe. Ich bin nach wie vor jemans, der die Dinge auf der Bühne passieren lässt, der sich denkt, das mache ich so und so, an der Stelle tanze ich oder mache die Augen zu. Wenn ich muziere, übernimmt irgendetwas das Kommando. Deshalb brauche ich ein ausgefeiltes Konzertprogramm, weil ich in dem Moment nicht mehr gestalten kann. Das ist wie bei einem Kajak in einem Wildwasserfluss, das über eine Stromschnelle rauscht. Das ist Adrenalin pur. Aber ich glaube, dass die Fahhrinne eine andere sein wird.

Eine sanftere, zurückgenommenere?

Eine möglicherweise noch viel riskantere. Mit mehr Wissen, mehr Erfahrung kann man auch größere Risiken eingehen.

Stille Rückkehr

Facts | Text: Richard Reich

Der rockige Volksmusikant Hubert von Goisern meldet sich zurück - ohne seine Alpinkatzen, dafür mit zwei Weltmusik-Alben

Jane Goodall und Hubert"Wia die Zeit vergeht" sang Hubert von Goisern, und seine Fans konnten ihm nur staunend beipflichten. Es war ein skurriles Comeback kürzlich am malerischen Hallstättersee: Nicht mehr in Lederhosen, sondern in tibetischer Tracht, nicht mehr geschoren, sondern mit fast schulterlangem Haar, und an seiner Seite auch keine Alpinkatzen mehr, keine Spur beispielsweise von der lieben "alpinen Sabine", dafür eine tibetische Sängerin namens Passang - so ist der 46-jährige Österreicher nach langer Konzertpause auf die Bühne zurückgekehrt.

Es wurde also ein Wiedersehensfest voller Überraschungen und Improvisationen, und Ähnliches ist auch von Hubert von Goiserns nächstem Auftritt zu erwarten: am 20. Juni als Gast am Openair von Patent Ochsner. "Ich werde im Belpmoos je zwei Stücke von meinen beiden neuen Alben spielen sowie ein älteres Lied," kündigt Hubert an. "Dann wird man weitersehen."

Wenn ein europäischer Popmusiker auf einen Schlag zwei Ethno-Alben auf den Markt bringt, muss sich zwangsläufig Misstrauen regen. Zu oft schon haben alternde Rockstars aus dem Abendland ihre künstlerische Bankrotterklärung mittels Raubzügen durch die üppigen Klangwelten so genannter Entwicklungsländer hinausgezögert. Was steckt dahinter, wenn uns Hubert von Goisern gleichzeitig eine afrikanische und eine tibetische Platte auftischt? "Es hat sich einfach so ergeben," sagt der Angeklagte ruhig. "Die ethnischen Wurzeln der Musik haben mich ja schon immer interessiert, ebenso das Verhältnis von regionaler Ethnie und globaler Wirkung." Mehr hat er zu seiner Verteidigung nicht zu sagen.

Dafür hat Hubert von Goisern einiges zu erzählen. Es sind zwei völlig verschiedene Geschichten, die zu diesen völlig verschiedenen Alben geführt haben, zu Gombe, dem afrikanischem, und zu Inexil, dem tibetischen.

Am 1. November 1994 absolvierten der rockende Volksmusikant und seine Alpinkatzen ihren letzten gemeinsamen Auftritt - nach drei Studioalben und einer Endlostournee seit 1988 mit über 100 Konzerten pro Jahr. Trotz des ungebrochenen Erfolgs war es für Hubert damals höchste Zeit für ein Schlusstrich: "Ich hätte mich künstlerisch nur noch wiederholen können. Der rockige Klangkörper unserer Version von Volksmusik gefällt mir zwar nach wie vor, doch er ist mir allmählich zu eng geworden. Ausserdem war ich damals unglaublich müde."

Die Kraft reichte noch, um 1995 die Produktion eines das Alpinkatzen-Projekt abschliessenden Live-Doppelabums zu überwachen. "Da tauchte plötzlich Jane Goodall im Studio auf und sprach mich an." Wie viele hunderttausend andere Menschen hatte auch Hubert die Bücher der weltberühmten Verhaltenforscherin gelesen. Aus dem Kennenlernen wurde bald eine eigenwillige Zusammenarbeit. Die inzwischen über 60-jährige Britin erzählte Goisern von ihrem Kampf um verbeserte Lebensbedingungen für Schimpansen in Tierversuchslaboren. Und zwar wollte die Forscherin erreichen, dass diese hoch intelligenten Tiere in ihren depreimierenden Käfigen wenigstens akustisch etwas Abwechslung erhalten. "Jane schwebte ein Audiosystem vor, bei dem die Schimpansen per Knopfdrunk Musik von Mozart oder Michael Jackson wählen können," sagt Hubert. "Das gefiel mir, nur regte ich an, dass man den Tieren noch eine dritte Variante anbieten sollte: ohre eigene Musik, die Geräusche des Urwalds." Jane Goodall fand die Idee interessant.

Also reiste Hubert von Goisern im Februar 1997 in den Nationalpark Gombe am Tanganjika-See, wo Goodall seit 30 Jahren frei lebende Affen beobachtet. Ähnlich wie der Yello-Tonjäger Boris Blank sammelte Hubert alle erdenklichen Klänge, von den Schreien der Schimpansen über Laute andere Tiere bis zu den Gesängen und Rhythmen einheimischer Musiker.

Wieder in Österreich, mischte er sich aus den Samplings sein Gombe Album zusammen, wobei er sie mit einer schlichten Instrumentierung ergänzte und da und dort, zum Beispiel beim Reisejodler, die eigene Singstimme und auch eigene Schreie drüberlegte. Ob die zwölf Tracks des Albums je Laborschimpansen efreuen und sich in deren Ohren gegen Mozart und Jackson durchsetzen können, ist allerdings noch unklar. Sicher ist aber, dass Goisern einen Teil des Plattenerlöses in zwei im Gombe-Nationalpark angesiedelte Hilfsprojekte zurückfliessen lässt.

Schon lange bevor es Hubert in den tansanischen Urwald lockte, hatte seine persönliche Geschichte mit Tibet begonnen. Auf einer Reise nach Nordindien kam er in Kontakt mit den Mitgliedern des Tibetan Institute of Performing Art in Dharamsala. "Im Gespräch mit diesen in Exil lebenden Künstlern entstand die Idee einer sanften Modernisierung von tibetischer Musik," erzählt von Goisern. Das Resultat: 14 Stücke, auf denen sich zum Beispiel Extrakte aus Tibets 500-jähriger Operntradition mit österreichischer Volksmusik und internationalen Dance-Rhythmen verbinden. "Ich wollte vor allem unbekanntere Bereiche der tibetischen Musik einbauen. Darum habe ich die mittlerweile ziemlich berühmten Mönchgesänge weggelassen."

Anders als bei Gombe hat Goisern bei Inexil nicht einfach mit Samplings, sondern von A bis Z mit Menschen gearbeitet. Entsprechend ist das Tibetan Institute of Performing Art an den Erträgen des Albums beteiligt. Ob auch Institutsmitglieder an der Konzertresise teilnehmen, die für Anfang 1999 geplant ist, steht noch nicht fest. "Wir müssen zuerst abklären, wie sinnvoll das ist."

So oder so ist klar, dass die Verbindung zwischen Österreich und Tibet bestehen bleibt. Schliesslich ist der Dalai-Lama Schutzpatron des Projekts. "Nachdem er vom Sinn der Sache überzeugt war, hat er mir alle Türen geöffnet," sagt Hubert von Goisern. "Der Dalai-Lama ist ein unglaublich heiterer, gelassener und doch ernsthafter Mensch. Er ist zu meinem wichtigsten Vorbild geworden."

Goisern - Gombe - Tibet - Retour

Concerto No. 5 Oktober/ November 1998 | Text: Albert Hosp | Fotos: Martin Forstinger

Hubert Achleitner von Goisern hat, nach längerer Absenz vom Plattenmarkt, vor kurzem zwei neue CDs vorgelegt, für die er zwar beinahe mehr als Produzent denn als Komponist und Interpret arbeitete, auch wenn er drauf jodelt, die Steirische und vieles mehr spielt: Gombe und Inexil, Ergebnisse zweier Reisen nach Afrika und Tibet.

Albert Hosp horchte hinein, besuchte Goisern und notierte Eindrücke dieses "sorgfältigen Träumers" der österreichischen Musikszene

INEXIL, Cut 1

Eine trommelgeprägte Einleitung, bluesig Gitarren dazu - erst mit dem Gesangseinsatz legt sich die Musik geographisch ungefähr fest: Dies kommt aus Asien. Ein Blick aufs CD-Cover: Tibet - Inexil. Tibet - das klingt nach Abgeschlossenheit, was das Land selbst und seine Kultur betrifft. Hier aber, auf dieser CD: eindeutig Popmusik.

"Bei der Tibet-CD wollte ich den Musikern die Möglichkeit bieten, zeitgenössisch zu arbeiten, weil es denen so geht, wie es mir mit der österreichischen Volksmusik gegangen ist."

Passang und Hubert

Die Musiker, das sind im Exil lebende tibetanische Künstler, Mitglieder des Tibetan Institute of Performing Arts (TIPA) im nordindischen Daramsala. Hubert von Goisern musizierte mit ihnen, in Indien, und lud dann vier von ihnen nach Salzburg ein, wo seine und ihre Vision Gestalt bekam. Davor war er natürlich auch schon selbst in Tibet, im Frühjahr 1996, mit dem Rucksack, ohne Instrumente. Im Haus in Salzburg - in dessen Keller sich das Studio befindet - sitze ich ihm gegenüber, habe gerade noch rechtzeitig einen Interview-Termin bekommen. Demnächst wird sich Goisern ziehen, im Studio arbeiten, ziemlich lange wohl. Denn die zweieinhalbjährige Arbeit an Gombe und Inexil hat ihn völlig vereinnahmt; für neue eigene Songs, gar CDs blieb keine Zeit. Aber sind gerade die hier zur Sprache stehenden CDs keine "eigenen"?

"In diesen zweieinhalb Jahren war ich sehr froh, daß ich produzieren konnte und nicht kreativ sein muß. Gerade bei der Tibet-CD habe ich mich selbst sehr zurückgenommen und eher versucht, ein Lebensgefühl in Musik umzusetzen."

Bei der anderen CD, Gombe, scheint sich mehr persönliche Schaffenslust durchgesetzt zu haben.

GOMBE, Cut 1

Wald, Vögel, Insekten, sonst nix. Und das auch relatic leise. Umso mehr haut sich dir dann des Goiserers Jodelstimme um die Ohren. Unbemerkt hat Cut 2 begonnen, und ein Gestaltungsprinzip ist klar: Hinter dieser CD steckt mehr Dramaturgie als bei Inexil. Die Stücke fließen ineinander, verbunden durch Naturgeräusche, aber auch durch Instrumente. Wobei da für Goisern gar nicht viel Unterschied besteht, zwischen natürlich vorhandem und menschlich erzeugtem Klanggeber:

"Ich wollte, daß die vielen Klänge, die ich dort hören konnte, ein Element der Musik werden und daß nicht immer alles gleich laut sein muß. Das stört mich bei den meisten Pop-Produktionen: Alles immer gleich Vollpegel, auch die leisen Stellen!"

Insgesamt waren beide Reisen ursprünglich gar nicht musikalisch motiviert. Nach Tibet fuhr er, weil er sowohl der politisch bedingten Unzugänglichkeit als auch der musikalischen Exotik auf den Grund gehen wollte. Die Reise nach Gombe, einem kleinen Ort am Nordost-Ufer des Tanganijka-Sees, trat er an, nachdem er im Winter 1994 die Schimpansenforscherin Jane Goodal kennengelernt hatte.

"Ich bin keiner, der Entwicklungshilfe macht, ich bin ein Musiker. Wenn ich noch einem Plan habe, dort nochmals hinzufahren, dann um ein Festival der verschiedenen Kulturen zu gründen. Es leben dort so viele Nationalitäten und Völker. Pro Tag sind allein 1000 Flüchtlinge aus Ruanda hergekommen."

GOMBE, Cut 4

Wasser, viele andere Naturgeräusche, bißl sphärische Keyboards ("Keyboard braucht natürlich eine Identität. Ein bißchen hat es das Problem, daß es nur breit ist, aber nicht tief. Bei einem Klavier schlägst du einen Ton an, und der geht ganz in die Tiefe") und Stimmen: die von Goisern selbst, eindeutig, nicht singend, eher sprech-schrei-jodelnd; und die von noch einem anderen, rhythmisch faszinierend, auch ein bißl ans Jodeln erinnernd. Am CD-Cover steht: "Freud: Gesang".

"Freud ist ein Schimpanse, das Alpha-Männchen einer Gruppe. Irgendwann hat er seine Haare verloren und wurde aus der Vormachtstellung raugeschmissen. Wir haben seine Schreie aufgenommen, und der Anfang eines Schreis liegt diese Nummer zugrunde."

INEXIL, Cut 3

Eine ein bißchen an Reggae erinnernder Rhythmus; den typischen Nachschlag spielt die Steirische. Einer der seltenen Momente, und das betrifft beide CDs, in denen Goiserns vielleicht bekanntestes Instrument (obwohl sein eigentlich erstes ja die Trompete war) überhaupt vorkommt.

"Ich habe meine Ziehharmonika nicht mitgehabt, weil ich sie seit den letzten Projekten mit den Alpinkatzen eher mit großer Scheu betrachte. Ich möchte schon wieder gern spielen, aber so, daß etwas Neues dabei herauskommt."

Erinnerungen: Der Sound, den wir von Goiserns und seinen Alpinkatzen kennen, der viel kritisierte, unverfrorene, aber im Endeffekt völlig legitime Mix aus alter und neuer Tradition, der findet auf Inexil fast gar nicht, auf Gombe schon etwas öfter statt.

GOMBE, Cut 12

Hubert in HallstattEine Goisern'sche Dialekteinleitung, die sich dann über einem glückseligen Highlife-Rhythmus noch wiederholt. Nicht wirklich leicht verständlich, aber perfekt in den Song passend:

"In Deutschland haben sie geglaubt, daß ich da Kisuaheli singe ..."

"Jodler habe ich den Menschen in Gombe schon auch vorgesungen, so langsame aus dem Salzkammergut. Die haben sich köstlich amüsiert, weil sie immer dachten, das seien Intros zu einem Rhythmus, der dann aber nie einsetzte ..."

INEXIL, Cut 4

Solo-Stimme, ein traditionelles Lied, kaum 50 Sekunden lang. Ein kurze Station zum Innehalten. Keine Instrumentenzusätze. Ein Stück Musik aus Tibet, pur. Die meisten Quellen, aus denen Goiserns Freunde vom TIPA schöpfen, sind zwischen 200 und 600 Jahre alt, z.B. die alte tibetanische Oper. Jedoch: Keiner der Musiker hat Tibet jemals besucht, sie sind all "inexil".

"Bei den Aufnahmen hat sich ein Synonym entwicklet: Wenn es tibetisch ist, dann ist es eigentlich unfaßbar. Die haben zum Beispiel keinen Genierer, jedesmal anders zu singen. Es groovt natürlich schon sehr, aber ab und zu sind es vier Viertel, dann wieder drei, dann wieder fünf. Das hat mich an meine allerersten Kompositionen erinnert, wo ich mich auch um nichts gekümert habe, auch weil ich noch so wenig gehört hatte." Und Goisern formuliert es noch ein wenig überspitzt: "Es ist vielleicht am besten, man horcht sowenig wie möglich traditionelle Musik."

"Im Moment reizt es mich gar nicht so sehr zu reisen. Jetzt werde ich doch auch die Reise nach innen antreten, in meinem Studio in Salzburg und dem Refugium in Goisern."

Dort wird er sich aufhalten, die nächste Zeit. Goisern ist sicher kein Hobby-Ethnologe geworden; er ist ganz sicher aber einer, der staunen kann, mit offenen Augen und Ohren, und - mag es auch kitschig klingen - offenem Herzem. Im Zweifelsfall läßt er dann wohl das Herz entscheiden, was er mit dem Erlebten anfängt. Und so klingt auch die Musik auf Inexil, mehr noch auf Gombe: wohltuend uneinheitlich, da und ort sehr bekömmlich, aber größtenteils ziemlich gut abfahrend und immer mit Sorgfalt abgemischt. Da vertonte einer wahrscheinlich doch auch seine Träume.