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GRENZENLOS TOUR 2003

Jodler zu ägyptischem Pop

Allgemeine Zeitung 30. Juni 2003 | Text: Albert Hoehner

Zeltfestival heute mit Hubert von Goisern und Mohamed Mounir

Österreicher und Weltenbummler, studierter Musiker und Autodidakt, Volksmusiker und Rebell: Hubert von Goisern verbindet Blues, Rock, Reggae, Anleihen beim Heavy Metal und den Groove von Bongotrommeln mit den Klangwelten der Alpen, die von der Ziehharmonika und vom Jodler geprägt sind, zu einem hemmungslosen Stilmix. In Assuit (Ägypten) traf er im vorigen Jahr auf den ägyptischen Pop-Star Mohamed Mounir. Nach einigen gemeinsamen Songs beim Konzert (vor 15000 Zuschauern) und nach einem langen gemeinsamen Abend entdeckten die beiden, dass "man da einfach was miteinander machen muss". Heute abend, 19 Uhr, stehen sie beim Zeltfestival gemeinsam auf der Bühne.

Wie gefährlich war Ihr Trip nach Assiut?

Assuit hatte ja durch terroristische Attentate in der Vergangenheit einen sehr zweifelhaften Ruf und galt als Hochburg islamischer Extremisten. Das gemeinsame Konzert von Mounir und mir war seit langem die erste Musikveranstaltung dort und die Menschen erschienen mir völlig "ausgehungert" nach kulturellem Vorgang. Die Sicherheitsvorkehrungen waren schon sehr extrem, bewaffnetes Sicherheitspersonal, das Festivalgelände abgeriegelt. Das Konzert an sich ist aber völlig friedlich verlaufen - obwohl die Zuhörer letztlich auch über alle Absperrungen hinweg vor, neben, sogar auf der Bühne mit uns feierten. Alles in allem ging es während der Reise sehr friedlich zu.

Doch letztlich hat der gemeinsame Groove gezeigt, dass die Leute vor Ort weiter sind als (Partei-) Ideologen und Glaubensdogmatiker vormachen wollen? Deckt sich das mit Ihrer Erfahrung auf den Kapverdischen Inseln, im Senegal usw.?

Meine Erfahrung sowohl während der Ägypten- als auch während der Westafrikatournee war, dass Musik, vor allem das gemeinsame Musizieren, ein Bindeglied zwischen allen Kulturen sein kann. Wie eine gemeinsame Sprache, die alle verstehen können. Das Ausgehungertsein des ägyptischen Publikums - und natürlich die Anwesenheit von Mohamed Mounir, der in Ägypten ein Superstar ist - hat sicherlich zu der Ausgelassenheit beigetragen, die dort herrschte. In Westafrika kam dazu, dass die Leute so arm sind, dass die Kultur einen anderen Wert hat. Bei uns überlegen die Leute, ob sie den Abend im Kino, im Theater oder zu Hause vorm Fernseher verbringen wollen. Die Zuhörer sind neugieriger, wo das Angebot geringer ist.

Musik als universelle Sprache, als Völkerverständigung, als verändernde Kraft - sollte man das nicht zu hoch hängen? Bei uns sind Musik und Kultur häufig nur schmückendes Wahlkampfbeiwerk der Politik, die kurzfristig den Kontakt zur Basis sucht.

Wenn Musik und Kultur es vollbringen, den Kontakt zur Basis zu schaffen, dann spricht das ja nur für die Bedeutung der Musik als universelle Sprache. Natürlich wird so etwas auch instrumentalisiert, das liegt aber auch im Ermessen des Künstlers, ob er so etwas unterstützen will. Für mich ist Weltmusik offen und für alle erreichbar; wir können uns mit unseren Hörgewohnheiten einklinken. Musik entsteht nicht nur in den Köpfen der Musiker, sondern auch in den Köpfen der Zuhörer - da ergibt sich eine nonverbale Verständigung jenseits von Vorurteilen.

Hätten Sie gedacht, dass der Jodler, die Ziehharmonika mit der ägyptischen, nubischen Musik harmonieren?

Mohamed Mounir spielt ja in diesem Sinne keine arabische Volksmusik, sondern Popmusik, dazu findet man mit westlichen Ohren vielleicht schneller einen Zugang. Die nubische Musik geht stark ins Afrikanische hinein, die relativ einfache, schnörkellose Rhythmen beinhaltet. Ich versuche immer, die Musik Mounirs in ihrer Gesamtheit zu begreifen, dann ergibt sich, wo welche Ziehharmonikatöne, welche Jodler dazupassen.

Wie ist denn die gemeinsame Musik entstanden? Vor Ort fingen Sie ja schon an, gemeinsame Stücke zu spielen, dann schickten Sie und Mounir sich per Internet Musikfiles gegenseitig zu und entwickelten die Musik, Ihr Programm weiter?

Das Hin-und-her-schicken der Soundfiles hat nur bedingt geklappt; der Funke springt auch nur dann über, wenn man live musiziert. Mohamed Mounir ist einige Tage vor Tourneebeginn mit seiner Band nach Bad Ischl gekommen und wir hatten dort noch Gelegenheit, die gemeinsamen Stücke zu proben.

Das Publikum sind für Sie "Voyeure", die im Dunkeln sitzen und zuschauen, wie Sie auf der Bühne"verrückte Sachen" machen, sich "ausleben". Was erwartet die Leute bei Ihrer "Peep-Show" auf dem Mainzer Zelt-Festival?

Zunächst gibt es ein etwa Konzert nur mit Mohamed Mounir und seiner Band. Danach ein komplettes Konzert von mir und meiner Band. Anschließend stehen wir mit gemeinsamen Stücken als "Zugabe" auf der Bühne.

"Es gibt einen Bedarf an Kulturaustausch"

Brückenschlag: Hubert von Goisern und Mohammed Mounir treten heute gemeinsam auf

Hubert von Goisern, Weltmusiker aus Österreich, hat 2002 im Auftrag des Goethe-Instituts eine Konzertreise nach Ägypten unternommen. In Assiut traten von Goisern und der nubische Star Mohammed Mounir vor 15 000 Zuhörern auf. Der Kulturaustausch funktioniert auch in Gegenrichtung: Mounir begleitet den Österreicher auf seiner Tournee, die ihn heute in die Freilichtbühne auf dem Killesberg führt (20 Uhr). Henning Dedekind hat mit ihm gesprochen.

Herr von Goisern, wie ist Ihre Musik in Ägypten aufgenommen worden?

Nun, abgeschnitten vom Westen sind die Menschen dort natürlich nicht. Es gibt Plattenläden und Internet. In Assiut herrscht allerdings schon so etwas wie eine informationelle Rückständigkeit. Das ist ein vom Militär hermetisch abgeschirmter Bezirk, von dem behauptet wird, er wäre das Zentrum des Fundamentalismus.

Wie fühlt man sich, wenn man im Zentrum des Fundamentalismus eine große Bühne betritt? Hatten Sie Angst?

Am Anfang habe ich mir nichts dabei gedacht, als im Vorfeld der Reise bei dem Namen Assiut alle die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben. Ich habe nur daran gedacht, dass dort eben auch Leute leben, die alle dieselben Bedürfnisse haben - nämlich ein Leben in Frieden und Sicherheit zu führen und dabei auch das eine oder andere Fest zu feiern. Als dann aber die Präsenz der Sicherheitskräfte immer stärker wurde, je näher wir Assiut kamen, hat mich dieses Gefühl angesteckt. Ich bin mit zittrigen Knien auf die Bühne gegangen.

Schon beim Soundcheck hatten Sie 500 begeisterte Zuhörer. Hat die Musik dort noch einen anderen Stellenwert als hier?

Konzerte gehören dort nicht zum Alltag. Allerdings gibt es in Ägypten vier oder fünf Fernsehkanäle, die rund um die Uhr Musik senden und von Marokko bis zum Irak empfangen werden. Dort laufen nicht nur, wie bei uns, die Sachen, die gerade verkauft werden sollen oder müssen, sondern Musikbeiträge aus den 50ern neben modernen Sachen oder dreiminütige neben zwanzigminütigen Stücken. Es gibt dort eine bunte Vielfalt, um die ich diese Kultur beneide.

Haben Ihre Gastgeber und Sie selbst für Ihr weiteres musikalisches Schaffen von der Begegnung profitiert?

So konkret lässt sich das nicht fassen. Es geht hier um eine grundsätzliche Offenheit beim Musizieren, die man durch solche Begegnungen auch trainiert und fördert.

Mit dem Irak-Krieg hat das Projekt eine politische Dimension bekommen. War das eine Ihrer ursprünglichen Intentionen?

Als wir die Tour geplant haben, war das Thema Terrorismus noch gar nicht auf dem Tisch. Aber es war damals schon klar, dass es einen Bedarf gibt an Kulturaustausch, für ein Miteinander und ein besseres Verständnis für den Kulturraum der arabischen Länder.

Glauben Sie, dass Musik völkerverbindend wirken kann?

Musik kann etwas bei den Menschen bewirken. Überspitzt ausgedrückt ist ein Konzert so etwas wie eine Messe, etwas, das die Menschen verbindet. Im Fall von Assiut konzentrierten sich 15 000 Menschen auf dasselbe Geschehen. Eine Tonbandaufnahme kann das nicht leisten.

Sehen Sie sich in der Rolle eines musikalischen Botschafters?

Ich bin früher viel alleine gereist und habe für die Menschen in anderen Ländern Lieder aus meinem Kulturkreis gesungen. Manche Leute finden das lustig oder seltsam, aber die meisten sind sehr interessiert und hören zu. Ich möchte diese Verständigung zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen nicht der Industrie oder der Politik überlassen. Es kommen immer komische Sachen dabei heraus, wenn man Kultur auf Diplomatie oder Wirtschaft reduziert.

Eine Kette von Erinnerungen

Süddeutsche Zeitung 21. Juni 2003 | Text: Michael Zirnstein

Hubert von Goisern über sein Konzert mit dem ägyptischen Sänger Mohamed Mounir

Schüchtern lächelnd begrüßen sich die Unbekannten, die die Sprache des anderen nicht verstehen: Mohamed Mounir, nubischer Popstar, und sein Gast aus Österreich, der Alpen- und Weltmusiker Hubert Achleitner, genannt Hubert von Goisern, vor ihrem gemeinsamen Konzert in der ägyptischen Fundamentalistenbastion Assiut. Draußen drängeln sich 17000 Neugierige. 20 Minuten Zeit, sich näher zu kommen. Am leichtesten geht das mit Musik, da sind sie sich gleich: zwei Liberale, die ihre "regionalen Wurzeln international umsetzen". 15 Monate später, nach von Goiserns abenteuerlicher Afrika-Tournee (Dokumentation ist auf DVD bei Blankomusik erschienen), kommt es zum Gegenbesuch in München: Von Goisern und Mounir (samt 14-köpfigem Orchester) treten in der Reihe Roots & Routes am Sonntag um 20 Uhr im Studio 1 des BR auf (Rundfunkplatz 1). Vorher, 18.30 Uhr, spricht von Goisern im Studio 3 in einer Fachrunde über Weltmusik.

Als Mohamed Mounir und seine Leute bei Ihrem ersten Treffen im Hotel zu musizieren begannen, wirkten Sie sehr konzentriert. Was spielt sich in Ihrem Kopf ab, wenn sie fremde Musik hören?

Ich versuche, mir die Melodie zu merken (er schließt die Augen, faltet die Hände), in den Rhythmus zu kommen und den formalen Ablauf zu kapieren. Der ist in jeder Kultur anders. Ich versuche, ein Gefühl dafür zu bekommen. Und wenn ich das nicht schaffe, dann zähle ich einfach mit im Geist, wo die Eins ist, wo die Melodie beginnt. Ich konzentriere mich, um alle Elemente zu begreifen und zu erkennen, wo ein Platz für mich ist. Ich horche in mich hinein, was ich mitsingen oder mit der Ziehharmonika dazuspielen könnte, das passiert im Kopf von selber.

Benutzt die nubische Musik überhaupt die selbe Stimmung wie die westliche, oder liegt etwa alles einen unharmonischen Tick daneben?

Mounirs Band hatte ein wohltemperiertes Keyboard dabei. Es gibt zwar auch extra Keyboard-Stimmungen für die arabische Musik. Aber die nubische ist anders als die klassische arabische Musik. Das geht ins Schwarz-Afrikanische hinein und ist streng pentatonisch, das heißt einfacher, schnörkelloser, und daher nicht so kompliziert.

Über diesem Konzert steht das Schlagwort vom "musikalischen Dialog der Kulturen". Ist das nicht ein elitärer Gedanke, denn es kommunizieren doch vorwiegend Experten, die die Fachsprache der Musik beherrschen?

Das glaube ich nicht. Busoni (der Musikerneuerer Ferruccio Busoni, 1866-1924) hat gesagt, 50 Prozent eines Konzerts bestimmt das Publikum. Musik ist erst Musik, wenn sie gehört wird. Du machst einen Ton: "Baah." Und er ist weg. Existiert nur noch in deiner Erinnerung. Eine Melodie ist eine Kette von Erinnerungen. Wenn der Mounir und ich gemeinsam etwas machen, dann wird das erst in den Köpfen der Menschen Musik. Der Zuhörer muss sich einbringen. Das Hineinkommen ist, wenn ich von mir ausgehe, immer ein Stück anstrengend. Aber auch spannend. Und der Mounir macht ja Pop-Musik, eine Sprache, die man in der ganzen Welt versteht.

Ist das Weltmusik für Einsteiger?

Was ist Weltmusik für Fortgeschrittene? Ich frage nur, weil der Begriff Weltmusik eh problematisch ist. Ist Weltmusik ethnische Musik aus Goisern oder bei den Eskimos, so, wie sie nur dort gespielt wird? Oder hat Weltmusik, so wie ich sie verstehe, sehr wohl einen ethnischen Kern, steht aber im Hier und Jetzt, und nicht nur in einem Gebiet mit seiner einen Tradition. Sie ist nicht abgeschlossen, und in dem Moment, wo es offene Enden gibt, können wir uns einklinken, mit unseren Hörgewohnheiten.

Ist die Bereitschaft der Menschen in Afrika allgemein größer, sich fremde, also Ihre, Musik anzuhören?

Ja, es ist dort alles anders. Die Leute sind so arm, dass die Kultur einen ganz anderen Wert hat. Bei uns überlegen die Leute, sollen sie ins Theater gehen, ins Kino, sollen sie fernsehen oder Party machen. Die Neugier ist dort, wo das Angebot gering ist, größer als bei uns.

Im Ihrem Film sieht es so aus, als würden die Leute auch lieber mitmachen.

Stimmt. Bei uns gibt es nur noch Spezialisten: geschulte Zuhörer und geschulte Musiker. In Afrika ist Musik Bestandteil des Lebens, überall wird getanzt, gesungen, getrommelt, beim Fußball, bei Geburten und Todesfällen.

Klappt dort, wo alle "Musik sprechen", der Kultur- Dialog besser?

Ich glaube schon. Bei Konzerten gibt es den Anspruch nicht: Ich bin der Künstler, ihr seid still und hört zu. Und dort sagt auch keiner: "Ich kann nicht singen".

In Afrika kennen viele Sie jetzt als "der Mann mit der Safranhose". Sie haben viele Anfragen, hier und dort mit afrikanischen Musikern zu spielen.

Das ist schon eine Bestätigung. Die Tournee sollte ein Brückenschlag sein. Und wenn eine Brücke da ist, sollte sie auch betreten werden. Leider kann ich nicht alles machen. Spannend ist, sich wirklich aufeinander einzulassen. Und das kann man nur mit einer Handvoll Leute machen.

Haben Sie in der momentanen Situation Angst, Einladungen an einen arabischen Ort anzunehmen?

Ich würde schon gerne wieder runtergehen, vielleicht nach Kairo. Klar gibt es ein Risiko. Aber ich mag solche Verallgemeinerungen nicht, die ganze Bevölkerung eines Landstrichs sei radikal. Ich meine, ich komme aus Goisern, einem Ort, wo auch der Haider herkommt. Im Moment mache ich mir Sorgen, dass dem Mounir oder seiner Familie etwas passiert, oder dass er vielleicht nicht mehr weg kann. Die zwei Sängerinnen, die er beim letzten Mal dabei hatte, dürfen schon nicht mehr mit, sondern müssen verschleiert rumrennen wegen der Islamisten. Hitzköpfe gibt es überall.

Ein Ägypter, ein Österreicher, ein Groove

AP 4. Juni 2003

München (AP) Schuld war das Goethe-Institut. Diese Institution, die deutschen Geist in alle Welt trägt, brachte einen zeitweilig musikalisch raubeinigen österreichischen "Volxmusiker" im Frühjahr 2002 nach Ägypten und dort mit einem Gleichgesinnten zusammen: Hubert von Goisern mit Mohamed Mounir. Nun kommen sie gemeinsam auf Tournee.

20 Minuten hatten Goisern und Mounir bei ihrem ersten Zusammentreffen Zeit, um eine gemeinsame musikalische Linie zu finden. Die wenigen Minuten haben locker gereicht.

"Wir haben ein bisschen zusammen herumgeklimpert und sofort gemerkt, dass wir uns mögen", erzählt Hubert von Goisern von der ersten Begegnung: "Ohne zu sprechen haben wir schnell einen gemeinsamen Groove gefunden. Man trifft so viele Leute im Laufe seines Lebens. Aber nur bei wenigen macht es sofort 'Klick!'. Mohamed Mounir ist so ein Fall." Drei Stunden nach ihrem ersten Treffen spielten Mounir und Goisern gemeinsam ein Konzert im oberägyptischen Assiut, dokumentiert auf der eben veröffentlichten DVD Grenzenlos, in der Goisern seine Auftritte und seine Erlebnisse in Burkina Faso, auf den Kapverden, in Dakar und in Ägypten zu einem faszinierenden musikalischen Reisebericht komprimiert hat.

Besonders verwunderlich ist dieser schnelle Gleichklang von Mounir und Goisern indes auf den zweiten Blick nicht. Wo Goisern der meist als behäbig und betulich dargestellten alpenländischen Volksmusik mit Rock-Gitarren und Ethno-Grooves neue Welten und Zuhörerschichten eröffnete, da tat Mohamed Mounir ähnliches mit der nubisch-ägyptischen Musik seiner Heimat. Seinen Wohnsitz musste er verlassen, als die Ägypter 1972 den Assuan-Staudamm bauten. Wie viele andere Nubier ging er nach Kairo und fand dort mit einer Mischung aus ursprünglicher nubischer Musik, ägyptischen Klängen und westlichen Pop-Einflüssen seine eigene Stimme und seinen eigenen Stil - und viele Fans, aber auch fundamentalistische Kritiker.

Protestsänger ist Mounir, der auch schon mit der Münchner Ethno-Legende Embryo zusammengearbeitet hat, dennoch keiner. "Er spricht zwar viele unangenehme Dinge an", erläutert Goisern im Gespräch mit AP, "aber insgesamt muss man das von unserer Warte aus differenzierter betrachten: In der Dritten Welt sind die Lebensumstände oft so widrig, dass es dort die erste Aufgabe eines Künstlers ist, zu zeigen, dass das Leben doch schön ist. Das ist eine ganz andere Ausgangsposition."

Neue Wege in fremden Kulturen

Hubert von Goisern weiß inzwischen, wovon er spricht. Nach dem kommerziellen Durchbruch mit Hiatamadl dauerte es nicht lange, bis der Österreicher aus dem Salzburger Land nach neuen musikalischen Wegen suchte, die ihn meist weg führten vom Pop westlicher Prägung. Es zieht ihn nach Asien und Afrika. Selbsterfahrung mischt sich mit Entwicklungshilfe und mit Freude am Experiment. "Wir haben hier großes Glück. Wenn du in Salzburg lebst oder in München oder in Bremen, kannst du dir fast alle Kulturen der Welt ansehen. Fast jeder Musiker kommt mal vorbei. In Afrika oder in Tibet hast du praktisch keine Chance, ein Konzert zu sehen, das dir eine andere Kultur näher bringt als deine eigene. Es war so spannend, bei den Konzerten dort zu sehen, wie die Leute reagieren. Und natürlich erfährst du viel über dich selbst, wenn du dich in einem Umfeld bewegst, wo Dinge nicht selbstverständlich sind, die du als selbstverständlich erachtest."

Mitzuerleben ist das alles auf der Grenzenlos-DVD. Doch die musikalischen Welten, die sich dabei für Goisern eröffneten, wurden sogar ihm fast zu viel: "Es hätten so viele Projekte daraus entstehen können. Aber ich will ja nicht dauernd arbeiten und Musik machen. So schön wie's ist." Immerhin auf die Sommertournee und die Zusammenarbeit mit Mohamed Mounir dürfen sich Ethnovolxpopfans freuen.

Mit der Quetsch'n in Afrika

Teleschau Mai 2003

(tsch) Hubert von Goisern sitzt entspannt in der Münchner Wohnung seines Managers, vor Obstsäften und Tee, und er sieht mal wieder verdammt gut aus! In ruhiger, netter Atmosphäre erzählt der Herr Hubert Sullivan aus Goisern (50, optisch 40!), der mit seinem Alpen-Ethno weltberühmt wurde, von seinen musikalischen Erfahrungen in Ägypten und Afrika.

Hallo, Hubert, was ist jetzt eigentlich der genaue Anlass für dieses Interview?

Eigentlich weiß ich nie, wofür ich gerade Promotion mache, weil mich das nicht interessiert.

Es geht unter anderem um Deine DVD Grenzenlos. Sie enthält wenige aktuelle Stücke...

Stimmt, die neuen Stücke der Iwasig-CD vom September 2002 und das ganze neue Programm sind ja auf der Konzert-DVD Iwasig zu finden.

Wie kam es zur musikalischen Reisereportage Grenzenlos?

Die Idee stammte eigentlich vom Goethe-Institut. Die luden uns nach Assiud in Oberägypten am Nil ein. Zuerst dachte ich, das wäre ein Irrtum, und sagte denen: "Ihr seid ein deutsches Institut, ich aber komme aus Österreich." Doch offensichtlich haben die da wenig Berührungsängste. So kam die Konzertreise nach Ägypten zustande, auf der ich mit Mohammed Mounir zusammentraf. Die Idee, das Ganze mit der Kamera zu verfolgen, hatte ich selbst, das Team stellten wir selbst zusammen, und es wurde auch von mir bezahlt.

Aber wie kamst Du dann nach Burkina Faso, Senegal und Kap Verde?

Das hab' ich selber organisiert. Ich hab' es meinem Agenten in Bad Ischl vorgeschlagen, der hat einen ganz guten Draht nach Afrika. Ich wollte eigentlich seit 1998 nach Ostafrika reisen. Es war eine Riesencheckerei, bis wir das alles hingekriegt haben!

Was sagte eigentlich Mounir, als sie ihm gesagt haben: "Pass auf, da kommt jetzt so einer mit der Quetschen aus Österreich, der will mit Dir gemeinsam Musik machen"?

Der hat ja keinerlei Berührungsängste. Er kennt Deutschland gut, weil er vor 20 Jahren schon mit Embryo was gemacht hat. Er hat auch schon einige Deutschlandtourneen hinter sich, aber immer nur innerhalb der arabischen Community.

Es ist erstaunlich, wie fantastisch ägyptische und österreichische Musiker gemeinsam auf der Bühne klingen können. Dass das mit afrikanischen Musikern klappen würde, kann man sich vorstellen. Aber es ist toll, wie gut Mounir mit Dir harmoniert!

Mounir ist eigentlich ein nubischer Musiker, das heißt, die bewegen sich in einer anderen Skala, einer pentatonischen. Mit vielen Verzierungen und anderen Trommeln. Aber inzwischen glaube ich, dass ich mit Musikern aus fast allen Kulturen auf der Welt zusammen spielen könnte. Das Faszinierendste ist der Bezug auf die Ziehharmonika: Zu sehen, was wirklich alles aus diesem Kasten herauskommt und dass man ihn nicht nur zur alpenländischen Volksmusik nutzen sollte.

Hat Dich all das angestachelt, weitere Herausforderungen mit außereuropäischen Musikern zu suchen?

Nein! Nein! Diese Begegnungen, auch damals die tibetische, die sind alle passiert, weil das vornehmlich menschliche Begegnungen waren. Mir passieren solche Dinge, aber es ist nicht so, dass ich mich hinsetze und plane: Ich mag jemanden, bin auf einer Wellenlänge, und dann will ich mit dem Menschen gemeinsam etwas machen. Ich arbeite sehr viel, und die meisten Leute, die gut sind, sind auch sehr produktiv. So findet man einfach ein gemeinsames Projekt, um auch Zeit miteinander zu verbringen und gemeinsam was auf die Beine zu stellen.

Ist es wirklich so schwer, als berühmter oder hart arbeitender Mensch Kontakte zu halten?

Ja, klar. Wenn du in der ganzen Welt unterwegs bist, aber in Österreich wohnst, und der andere ist in der ganzen Welt unterwegs und wohnt in Kairo, gibt es kaum eine Chance.

Im Sommer gebt Ihr gemeinsame Konzerte in Deutschland. Wie ist der Ablauf?

Wir haben zwei Tage Zeit zu proben. In dieser Zeit müssen wir es auf die Reihe bekommen, zwölf ägyptische, sieben europäische und einen brasilianischen Musiker zusammen zu bringen.

Wird es wieder so, dass Du die nubische Musik mitspielst? Oder welche Songs wird es geben?

Mohammed hat den Anspruch, mit seinen Musikern zwei bis drei meiner Songs mitzuspielen, da wird man sehen, wie das läuft. Es ist sicher möglich, denn seine Trommler können sicher mit mir mithalten. Mounir hat auch Keyboard, Bass, Schlagzeug und super Flötenspieler, Gitarre. Seine Sängerinnen haben alle abgesagt. Und er findet keine neuen.

Wieso?

Die dürfen jetzt nur noch mit Schleier auftreten und wollen nicht. Die Fundamentalisten bekommen immer mehr Macht, und wenn die bei Mounir ohne Schleier auftreten würden, dann würden die in Ägypten keine Jobs mehr bekommen.

Aber die können doch verschleiert bei Euch singen?

Ich vermute, dass sie auch nicht mehr geheiratet würden, wenn sie so etwas "Unehrenhaftes" machen. Wie die orientalischen Tänzerinnen. Wenn Du Dich für eine Karriere auf der Bühne entscheidest, wirst Du nicht geheiratet. Ich fand ja auch, dass es möglich sein sollte, in ganz Kairo wenigstens eine Sängerin aufzutreiben. Aber es ging nicht. Ich merkte, dass ich an dieser Stelle auch nicht mehr weiterbohren sollte.

Was ist sonst geplant?

Ich arbeite an einer neuen CD, die im Herbst kommt.

Jedes Jahr eine CD!

Ja, es treibt mich wirklich! Es hat sich so viel aufgestaut! Ich weiß ganz konkret, was ich machen möchte, und ich weiß ganz genau wie's geht! Auch wieder mit der Band, die man auf der DVD sieht.

Wie lebst Du derzeit?

Ich wohne mit meiner Familie in Salzburg in einem Haus, mein Studio ist in einem anderen Haus. Aber ich möchte das jetzt zusammenlegen, weil ich immer durch die ganze Stadt fahren muss, um von einem Ort zum anderen zu kommen.

Bist Du immer noch mit derselben Frau zusammen?

Ja, immer noch mit derselben, mit meiner dritten Frau. Seit 17 Jahren. Unser Sohn ist 15, und die Tochter neun Jahre alt.

Wie lebt Deine Frau mit dem Starrummel und damit, dass Du so viel weg bist?

Wir haben immer versucht, die Familie aus dem Rummel raus zu halten. Meine Frau hat einfach kein Interesse, zu erscheinen, auch wenn es manche Boulevardblätter darauf angelegt haben. Und das mit dem Reisen: Meine Frau und ich sind beide so gestrickt, dass wir wissen, dass wir nie 17 Jahre geschafft hätten, ohne die langen Trennungen, während der man sich dann ja auch wirklich wieder auf den anderen freut.

Hast Du eine Lieblings-CD?

Ja, Jennifer Warnes singt die Leonard Cohen-Lieder. Wahnsinn! Und Norah Jones hab ich mir auch gekauft.

Was war dann an den Gerüchten mit der Alpinen Sabine: Verhältnis und Trennung, und dass sie dann aus der Band musste?

Da war nie was. Die Leute konnten sich einfach nicht vorstellen, dass bei zwei Musikern so der Funke überspringt und man so harmonisch ist. Alle Leute denken dann, dass man sich so nicht anschauen kann, ohne dass da was wäre. Und mit der Band: Ich habe damals die komplette Band aufgelöst, weil mir die Alpinkatzen einfach zu rockig und hart waren. Für die war ich sogar der Bremser. Das hat mir lange Spaß gemacht, aber dann wollte ich mich frei spielen, relaxter musizieren. Ich wollte andere Musiker mit einem anderen Spektrum, subtiler, jazziger. Das war lange Zeit hart, und die waren auch sehr sauer, aber jetzt können wir uns auch wieder begegnen.

Wieso siehst Du so frisch aus? Du bist überhaupt nicht gealtert! Bergsteigen? Sauerstoffduschen?

Nein. Gar nichts. Ich rauche während der Produktion sogar eine Menge Zigaretten. Sonst aber nicht (lacht), und ich hab nie eigene, ich schnorre nur.

Berge aller Länder, vereinigt Euch!

Jazzthetik June 2003 | Text: Thorsten Bednarz | Fotos: Michael Felsch

Hubert von Goisern und Mohamed Mounir

Hubert von GoisernEs war wirklich inmitten der sogenannten neuen deutschen Welle, dass eine Plattenfirma auf den singenden und jodelnden Eigenbrötler aus der Kleinstadt Goisern aufmerksam wurde und ihn unter Vertrag nahm. Damals war vieles möglich, solange man nur Deutsch sang. Damals firmierte er noch unter "Alpinkatzen feat. Hubert von Goisern".

Der Wanderer

Ganze 15 Jahre später trägt die Band nur noch seinen Namen und der musikalische Querdenker hat sich irgendwo zwischen sogenannter Weltmusik, dem guten alten Soul der Marke Stax und Rockmusik angesiedelt. Ein Nischenprodukt, würden die großen Plattenfirmen sagen, doch die Nischen haben beständigen Zulauf und so kann Hubert von Goisern gleich auf zwei aktuelle DVDs verweisen, die letzte Open Air-Tour war die erfolgreichste seiner Karriere, und nie war auch das Medieninteresse größer als in letzter Zeit. Und noch nie wurde eine seiner Tourneen gar von einem weltoffenen Jazzmagazin (Ihres Vertrauens) präsentiert!

Man könnte eigentlich auf den Gedanken kommen, dass Hubert von Goisern allen Grund hätte, zufrieden zu sein. Doch Zufriedenheit passt nicht auf diesen nimmermüden Wanderer, würde sie doch einen Blick zurück in die Vergangenheit voraussetzen. Wo jedoch andere einen Blick in die Vergangenheit tun, da macht Hubert von Goisern scheinbar schon wieder zwei Pläne für die Zukunft. Und immer, wenn er eine Idee hat, schlägt man erst vor Entsetzen die Hände über dem Kopf zusammen, dann spuckt man sich in selbige und setzt die Idee um. Und jede umgesetzte Idee, so exotisch sie auch sein mag, impliziert nur die nächste, scheinbar noch exotischere - aber auch die logische Fortsetzung alles Erreichten. Das Dachsteinmassiv rückt mit dem Himalaya und den Bergen Kongos zusammen und verschmilzt in der Musik Hubert von Goiserns, denn überall dort war er schon, hat seine musikalische Duftmarke hinterlassen und selbst andere gesammelt. Und indirekt wurde er damit auch zu einem lebendem Dogma der Antiglobalisierungsbewegung, die sich in der weltoffenen Betonung lokaler Eigenheiten manifestiert. Doch will Hubert von Goisern so hoch hinaus? Bestimmt nicht. Er will nur Musik machen. Seine Musik und sich damit seine Träume verwirklichen. Dass wir daran Teil haben dürfen, ist mehr als ein notwendiges Übel. Es ist ein Luxus für ihn, da viele Menschen offensichtlich seine Träume teilen, und ein Luxus für uns, an seiner Verwirklichung teilnehmen zu dürfen.

Akkordeon und Bandmaschine

HvG und MounirDabei begann doch alles eher widerwillig, wie Hubert von Goisern erzählt, denn natürlich hatte er als Teenager nichts mit Alpenmusik am Hut. Und ebenso natürlich klingt die Geschichte so fantastisch, dass man beinahe gewillt ist, sie ihm spontan zu glauben. "Einmal kam ich so als etwa 16-jähriger sturzbetrunken von einer Party nach Hause und sah auf dem Tisch die Diatonische von meinem Großvater liegen, nahm sie mir und fing an zu spielen. Ich spielte die halbe Nacht darauf, und als ich am nächsten Tag aufwachte und dachte, es sei alles nur ein Traum gewesen, konnte ich noch immer darauf spielen. Seitdem habe ich sie nicht mehr weggelegt." Und dabei sollte man bedenken, daß die Diatonische ein Akkordeon ist, welches, je nachdem, ob man den Balg zieht oder quetscht, andere Töne produziert. Ein Instrument also, welches ungeteilter Aufmerksamkeit bedarf und nicht eines alkoholisierten Hirns, um es wirklich spielen zu lernen. Egal ob wahr oder geflunkert, Hubert von Goisern darf jedenfalls von sich behaupten, wohl als einziger Musiker dieses Instrument in einen Rockkontext gestellt zu haben - und mit wachsendem Erfolg.

Dabei war es nicht unbedingt Absicht, dass das (noch) aktuelle Album Iwasig so straight und geradlinig ausgefallen ist. "Als ich im Studio war, ist mir das auch irgendwann aufgefallen, daß dieses Album viel unambitionierter klang als Fön, dafür aber eine gewisse Leichtigkeit hatte. Ich hab mich gut damit gefühlt und hab es einfach laufen lassen. Für Fön brauchte ich damals diesen anderen Klang. Doch als ich damit dann auf die Bühne ging, gab es manchmal schon Schwierigkeiten, denn das Publikum will ja auch tanzen." Die Begründung, warum er dann ein solch ambitioniertes und vielleicht auch ein wenig introvertiertes Album wie Fön aufnahm und seinem Gefühl nicht damals schon freien Lauf ließ, klingt einfach. Typisch Hubert von Goisern, eben. "Weißt Du, wenn Du im Studio bist, dann sitzt Du meist und merkst deswegen nicht sofort, wenn etwas nicht in die Beine geht. Auf der Bühne würde ich nie auf die Idee kommen, mir einen Sessel zu holen!" Und ganz offenbar war er letztendlich mit dem Ergebnis so zufrieden, daß er jetzt auch öfter mal einfach etwas "laufen" läßt.

Wie auch bei den Aufnahmen zum noch nicht veröffentlichten Album Trad 2, welches er in einem verlassenen Hotel auf einem Berggipfel aufnahm, der nur über eine Seilbahn erreichbar war. Einer der Musiker hatte einen Hund dabei und in einem Stück konnte man ihm das mitjaulen einfach nicht verbieten - egal, wie viele Takes davon aufgenommen wurden. Also wird auch der Hund auf dem Album zu hören sein, und der Perfektionist Hubert von Goisern findet es charmant. Was andere charmant oder schlimmer noch authentisch finden, darüber kann er sich nur belustigen. "Einmal gab es ein irrsinnig teures Fotoshooting und mir wurde ein Flug bezahlt, und um so richtig die ländliche Idylle herauszukehren, wurde dann sogar noch eine Kuh eingeflogen, die mit aufs Foto sollte! Und dann, noch bevor die Geschichte und das Foto dazu erschienen, ist das Magazin eingegangen. Heute braucht man zum Glück keine Kuh mehr neben mich zu stellen, um zu wissen, dass der da aus den Bergen kommt. Wenn man mich heute am Hamburger Hafen fotografiert, dann hat das schon eine Spannung, weil es um mich geht. Aber wenn man eine Kuh für die Spannung braucht... " Trotzdem hätte er gern das Foto von damals. Als Andenken.

Partnerwahl

Mohamed MounirUnd es war ja auch noch vor vielen Jahren, als er sich vielleicht noch eher überreden ließ, einen Kompromiß einzugehen. Heute gibt er den Ton an und übernimmt viele der wichtigen Entscheidungen selbst. "Also in der Politik halte ich sehr viel von Demokratie. In einer Band ist es vielleicht auch okay, aber in einem Projekt wie meinem, kann ich damit nichts anfangen. Ich habe mal ein halbes Jahr in Wien in einem Theater gearbeitet, welches als Kollektiv aufgebaut war. Da gab es 15 bis 20 Leute und alle hatten gleich viel zu sagen. Gemacht haben aber nur zwei was von ihnen, mussten sich jedoch von allen reinreden lassen. Und als ich fragte, wieviel Geld es denn gäbe und wann, war es schon schlimm. Doch als ich dann auch noch ein geringes Fixum verlangte, von dem ich wenigstens meine Unkosten hätte halbwegs decken können, war ich nur noch ein Kameradenschwein. Es war eine wahre Befreiung, als sie mich nach einem halben Jahr rausgeschmissen haben."

Jetzt sucht er sich seine Partner besser aus. Und er wählt weltweit auf seinen Reisen. Davon berichtet auch die zweite aktuelle DVD mit dem Titel Grenzenlos, die die Reisen Hubert von Goiserns und seiner Musiker nach Ägypten, Kap Verde, in den Senegal und nach Burkina Faso dokumentiert. In Dakar sind sie die erste weiße Gruppe, die sich trotz aller Sicherheitsbedenken in das Elendsviertel Ecopol wagt und dort ein improvisiertes Konzert spielt, welches zu den besten der ganzen Karriere Goiserns zählt. Und im eigentlich als islamistischer Hochburg verschrieenen ägyptischen Assiut trifft er auf den Superstar Mohammed Mounir und spielt mit ihm vor über 15.000 jubelnden Zuschauern. Aus dieser Begegnung entstand eine "Seelenverwandschaft", die der aktuellen Tour durch die deutschsprachigen Länder der beiden Musiker ihren Namen gab.

Allerdings stand das Unterfangen noch vor kurzem unter einem schlechten Vorzeichen. Als Mohammed Mounir kürzlich in Berlin zum Disorientation-Festival weilte, war kurz zuvor der Irakkrieg ausgebrochen. Am Abend des Konzertes wurden hunderte Kriegsgegner in der ägyptischen Hauptstadt von der Polizei mit Wasserwerfern und Schlagstöcken brutal auseinander getrieben und von überall war zu hören, dass der Krieg die Konzertkassen lahm gelegt hatte, eine Unzahl von Konzerten abgesagt werden mussten. Auch Mohammed Mounir kam nicht zum vereinbarten Interview. War es nun wirklich eine Magenverstimmung vom deutschen Essen, war ihm die politische Situation weltweit und in seiner Heimat auf den Magen geschlagen? Man weiß es nicht. Auch Hubert von Goisern sieht an diesem Morgen angeschlagen aus. "Zum Glück habe ich noch nicht gehört, dass irgend jemand versuchen würde, in dieser Situation unsere Konzerte abzusagen. Ich jedenfalls bin froh, daß wir auf Tournee gehen werden und die Situation im Irak und wie sich die Welt dazu verhält, bestärkt mich nur noch in dem Glauben, daß solche Projekte wichtig sind. Aber bei uns geht es um Musik. Allerdings sehe ich es auch als große Chance, diese Tage jetzt mit einem arabischen Freund zu verbringen und mit jemandem von der vermeintlich "anderen Seite", so wie die USA es uns einreden wollen, reden kann. Ich bin auch neugierig, was dabei rauskommt."

Angst davor, dass die implizite politische Aussage der gemeinsamen Tour die musikalische in den Schatten stellt, hat Hubert von Goisern jedoch nicht, wie er nach einer (für ihn ungewöhnlich langen) Gedankenpause zugibt. "Die politische Situation ist Teil unseres Lebens und unabhängig von diesem aktuellen Krieg wäre die Tour schon spannend genug, denn seit dem 11.September spricht man mehr von den Unterschieden statt von den Gemeinsamkeiten zwischen Europa und dem arabischen Raum. Und geht es darum, in der Musik und durch die Musik die von der Politik überlagerten Gemeinsamkeiten neu aufzudecken. Es gibt ja viele musikalischen Gemeinsamkeiten, wenn man die Entwicklung der spanischen Musik nimmt, die ohne die Araber so nicht verlaufen wäre, und die Spanier wiederum haben ganz Europa und Lateinamerika mit ihrer Musik beeinflußt. Warum also sollten wir uns dem heute verschließen, auch wenn es erst einmal exotisch klingt, dass ich mit Mohammed gemeinsam auf Tour gehe? Schade ist nur, dass in einer Zeit, in der alle vom Dialog reden, wir keinerlei Unterstützung von irgendwelchen Institutionen bekommen. Das macht mich wütend und ich bin sehr enttäuscht. Im vergangenen Jahr habe ich die Tour nach Ägypten und Westafrika aus meiner eigenen Tasche finanziert und auch diese Tour finanziere ich vor. Es wäre allerdings schön, wenn man sich von Seiten jener, die den Dialog zwischen den Kulturen predigen, auch an einem solchen Projekt des ganz direkten Dialogs beteiligen würde."