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S'NIX

Hubert von Goisern: S'NIX

S'NIX

Hubert von Goisern - S'NIX

23.05.08 | 88697295282

  • 01. showtime
  • 02. rotz & wasser
  • 03. weltuntergang
  • 04. auseinandertreiben
  • 05. die liab
  • 06. haut & haar
  • 07. leben
  • 08. herschaun
  • 09. sieger
  • 10. siagst as - feat. xavier naidoo
  • 11. regen
  • 12. hermann

S'NIX ist nicht nix. S'NIX ist überall, auch da wo nix ist. S'NIX ist ein zustand. der arbeitstitel des albums war wasser, da so manches auf dieser cd seinen ursprung am wasser hatte. und wasser ist ja auch so was ungreifbares. man kann es spüren, berühren aber nicht festhalten, ausser es ist gefroren. lieder sind ein wenig wie flüssig gewordene geschichten, empfindungen und gefühle. manche sind aufgetaut aus dem unewigen eis, die meisten aber haben sich wie tautropfen auf mein bewusstsein niedergeschlagen und sind zu liedern geworden. das hat bedeutet für einige zeit im S'NIX zu verweilen und die orientierung wenn nicht gar das ziel aus den augen zu verlieren. wenn man dann "aufwacht" und wirklich angekommen ist, wo man sich hinträumen und hinhören wollte, ist das schon verwunderlich; oder auch nicht.

hubert von goisern
salzburg, april 2008

HUBERT VON GOISERN - S'NIX : Die Üppigkeit des Nichts

Text: Bernhard Flieher | Foto: © Jürgen Skarwan

Hubert von GoisernDas Nichts, vom dem Hubert von Goisern berichtet, gleicht einem Zustand mentaler Schwerelosigkeit. "Du sitzt da und wartest und alles rund um dich erreicht dich nicht." Es ist das Warten auf den Moment, da sich Gedanken und Ideen zu Liedern formen. Es sind die Phasen, die von außen betrachtet ein Nichts, eine Leere darstellen. "Du tust ja eh nichts", sagen dann die, die ihm in solchen Phasen begegnen. Zu nichts zu gebrauchen. Nicht greifbar. Und auch nicht wirklich erklärbar. Hubert von Goisern aber sind diese Phasen das Größte und Bedeutendste, das Inhaltsvollste - "außer der Liebe".

Das S'Nix, das dem neuen Album von Hubert von Goisern seinen Namen gibt, gleicht einem vollen Glas, das nur auf den letzten Tropfen wartet, der es zum Überlaufen bringt. Oder musikalisch gesprochen: Ohne dem Nichts kann noch so viel da sein, da passiert nichts. Zumindest nichts, das sich auf einem Album veröffentlichen ließe.

Die Songs des Albums sind gerade fertig gemischt, als Hubert von Goisern - natürlich nachts - vom Nichts erzählt. Kurz zuvor sind die Ergebnisse dieses Nichts aus den Boxen gedrungen. Zwölf Songs zwischen hartem Rock, sanfter, liebevoller Nachdenklichkeit und weltläufiger Hintergründigkeit sind es geworden. Es sind - gemessen an der Üppigkeit der Ausdrucksformen und an den Intensität, mit der diese Musik, vor allem aber Hubert von Goiserns Stimme, schon beim ersten Zuhören überwältigt - seine besten Arbeiten.

Wohin die Reise gehen sollte, deutete sich schon vor dem Ablegen jenes Schiffes im Juni vergangenen Jahres an, mit dem auf der LinzDonauTour der Südosten Europas erkundet wurde. Bei einem Benefizkonzert in Salzburg präsentierte Hubert von Goisern vor knapp einem Jahr seine neue Band. Er ließ die recht junge Partie in seine alten Songs drängen. Gemeinsam stürmten sie los. Verstärker an, volle Kraft voraus. Das folgt zwei Aufnahmebedingungen: "Ich brauchte eine Band, die den alten Songs neues Leben geben konnte, die aber auch das Potenzial hat, neue Dinge zu wagen." Die Wahl erwies sich als perfekt.

Auf dem ersten Teil der LinzDonauTour ging es nicht darum, eine treue Fangemeinde zwischen wohliger Erinnerung und Nachdenklichkeit anzusprechen. Wohl aber durch einen kräftigen Sound, durch eine universelle, aber unverkennbare Sprache fremdes Terrain zu erkunden. Dabei wurden weder Feinheiten grob gehobelt noch das inneralpine Erbe des Goiserers ignoriert.

Wer nun die ersten, verzerrten Akkorde des neuen Albums hört, wer die drängende Ungeduld spürt, mit der die Rocknummer Showtime loslegt, ahnt, was sich da im Laufe eines knappen Jahres zusammengebraut hat im Bauch des Schiffes - umgeben von schwerem Eisen, das sich doch selbstverständlich leicht über das Wasser bewegt.

"Ganz naiv" habe sich Hubert von Goisern wie oft auf seinen Reisen darauf eingelassen, die Zeit auf dem Schiff zu nutzen, Neues - menschlich und künstlerisch - entstehen und reifen zu lassen. Aus gegenseitigem Abtasten wurde schnell ein tiefes Vertrauen - und es wurde ein satter Sound, wie ihn der Goiserer in seiner Karriere noch nicht gemacht hat. Das tiefe Vertrauen in die wirkenden Kräfte machte sich dabei vor allem wenige Wochen nach der Rückkehr vom Wasser im Studio bemerkbar.

Zum ersten Mal bei Studioaufnahmen kam Hubert von Goisern nicht mit "fertigen Ideen, die dann von den Musikern umgesetzt wurden". Dieses Mal wuchsen die Songs aus langen Sessions, quasi als Fortsetzung der Schiffsmusik. Melodien drängten sich auf, wurden umkreist, wieder verworfen. Dieser Prozess provoziert auch einen intensiven Umgang mit der Stimme. Extrem natürlich und nahe, ja so, dass das Atmen zu hören ist, erreicht uns Hubert von Goiserns Stimme. Tonmeister Wolfgang Spannberger ließ dafür in einer betonernen Industriehalle aufnehmen, um diesen Klang zu erreichen. So entstand ein lebensnaher Sound, ein Dialog zwischen Drängen und Durchatmen.

Die Songs auf S'Nix überwältigen - egal ob als Rocknummer oder Ballade - durch ihre Dichte. Und sie überraschen durch den Mut, sich gerade bei den rockigen Nummer weit hinaus aus dem bisher bekannten Kosmos zu lehnen. Niemals aber geht auch in den richtig lauten, harten Momenten jene Subtilität verloren, die Hubert von Goiserns Werk auch dieses Mal örtlich wie zeitlich uneinordenbar macht.

Ortlosigkeit war auch die Quelle dieser Songs. In vielen Phasen werden sie bestimmt von der Art, wie auf einem Schiff gereist wird. Gelassenheit verlangt eine solche Reise, weil sie manchmal zäh dahingeht. Aber ohne Etappen der Ungeduld, des genervten Wartens, würde diese Gelassenheit nicht so ein intensives Erlebnis ergeben.

Die Songs auf S'Nix, die vorwärts drängenden, die rockenden ebenso wie die zurückhaltenden atmen den Rhythmus dieser Reise. Mit Ungeduld wird also etwa vom Leben erzählt und auch vom Weltuntergang und dem Auseinandertreiben. Es wird hymnisch gejodelt (Sieger). In größter Ruhe (Die Liab) und größter Atemlosigkeit (Haut & Haar) wird die Liebe beschworen. Herschaun ist der einzige Song mit ganz deutlichen musikalischen Verweisen auf die im vergangenen Jahr durchfahrene Region. In der Collage der legendär Radioübertragung des WM-Spiels Österreich gegen die Schweiz wird Reporter Heribert Meisel zum Rapper (Rotz & Wasser). Und am Ende schweben wir im Instrumental Hermann einfach davon. Irgendwohin.

Alle Songs lassen sich Zeit. Sie walzen sich - inhaltlich und formal - teils jeder für sich, aber jedenfalls in ihrer Gesamtheit, breit aus. Dabei verlieren sie aber nie ihre Richtung. Beispielhaft - schon allein wegen ihrer Länge - sind das achtminütige Regen und das neunminütige Siagst as.

Bei Siagst as begegnen wir - von Xavier Naidoo stimmlich mitgetragen - der Ballade über eine Gewissheit: "Nach jeder langen Nacht / Kommt irgendwann wieder des Licht". Von einer sehnsüchtigen Trompete wird ein weicher, seelenvoller Soundteppich ausgebreitet. Immer wieder entwickelt sich dieser Song auf ein Ende hin, um dann doch nur Geschwindigkeit der Musik und Intensität der Stimmen zu ändern. Drängen und Durchatmen oder Warten und Weiterfahren oder Hoffen und Bangen. Hier wird die Schiffsfahrt des Goiserers, seine wichtigste, aktuelle Inspirationsquelle, hörbar. Sie wird fühlbar in der Undurchdringlichkeit, mit der die Band als dichte Einheit zusammen spielt, aber auch in der Wechselbeziehung zwischen gelassener Zuversicht und ungeduldiger Ungewissheit: Siagst as ist ein Song, der aus dem Nichts zu erhabenen Schönheit wächst, der bei aller Nachdenklichkeit die wilde Sogkraft eines Wasserstrudels entwickelt.