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LINZ EUROPA TOUR 2007-2009

"Es gibt kein Zurück!"

Passauer Neue Presse 26. Juni 2007 | Text: Katrina Burkert | Foto: © Petra Hinterberger

Vier Tage unterwegs mit Hubert von Goisern auf der Donau:
Wie Musik und eine Vision von Europa den Kampf mit Stürmen, Schiffsmotoren und Behörden bestehen

Hubert von GoisernFreitag, 22. Juni, 18 Uhr: Der Wind peitscht den Regen in Böen über das Deck. Menschen rennen schreiend über die Planken, werfen sich auf das technische Gerät an Bord, um es mit dem eigenen Körpergewicht vor dem Wegfliegen zu retten. Mit bloßen Händen versuchen sie, den Hagel abzuwehren, der auf die Planken trommelt. Schnitt. Stille. Eine zitternde Hand schwenkt die Kamera über die verwüstete Bühne des Schiffs, mit dem Hubert von Goisern am Abend seine dreijährige Europa-Tour auf der Donau starten wollte. Die letzte Einstellung zeigt den Cheftechniker inmitten seiner Instrumente. Benommen blickt er umher, das Wasser rinnt aus seinen Haaren. Dann schlägt er die Hände vors Gesicht.

Sturm über Wien vermasselt den Auftakt

Samstag, 23. Juni, später Abend. Goiserns Manager Hage Hein, die Filmcrew und Bandmitglieder sitzen in einer zum Schneideraum umfunktionierten Kajüte und schauen sich die Bilder wieder und wieder an. "Das waren Momente der Trauer", sagt Hein. "Alle dachten: Das war's. Es ist vorbei, bevor wir überhaupt anfangen konnten." Er spricht in der Vergangenheit, weil sich die Lage in den letzten 24 Stunden geändert hat. Die Elektronik hat das unfreiwillige Bad ohne ernsten Schaden überstanden. Das ausgefallene Konzert beim Wiener Donauinselfest kann am Sonntag nachgeholt werden. Noch mal gut gegangen.

Dennoch hat der Zwischenfall Spuren hinterlassen, die die ersten Tage des neuen Goisern-Projekts prägen: Ein in sich gekehrter, fast unnahbar ernster Hubert von Goisern bewegt sich wortlos durch das Treiben an Bord und zieht sich häufig unter Deck zurück. "Er hat momentan ganz schön den Koller", sagt Hein. "Anderthalb Jahre hat er auf das hier hingearbeitet. Und dann kommt der Sturm. Da ist es schwierig, das Kinn hochzuhalten." Hein muss die Stimme heben, während er an Goiserns Stelle über die Linz Europa Tour spricht. Über ihm knattern die Sonnensegel über dem Deck des umgebauten Frachters laut im Wind. Neben ihm singen drei Gastmusiker Kärntner Volkslieder. Aus dem Küchen-Container dringt Geschirrklappern herüber, aus Richtung Bühne hört man Bass-Riffs.

In der Melange aus Geräuschen erfüllt sich wie nebenbei ein zentraler Kerngedanke der Tour: Menschen aus verschiedenen Teilen Europas kommen an Bord des Frachters zusammen, der in den nächsten drei Jahren insgesamt 14 Länder passieren wird. Sie musizieren, essen, reden miteinander und gehen nach ein paar Tagen wieder auseinander - im Gepäck viele neue Ideen, neue Freundschaften und das gute Gefühl, ein Zeichen für das vereinte Europa gesetzt zu haben.

Die künstlerische Seite dieser Idee funktioniert: Das zeigt sich beim Eröffnungskonzert in Wien, das allen Pannen und aller Improvisation zum Trotz ein musikalisch fesselndes und von den Wienern gefeiertes Ereignis wird. Das zeigt sich auf der Weiterfahrt zum nächsten Spielort Melk, auf der den ganzen Tag Musik zu hören ist, weil Hubert von Goisern und Claudia Koreck mit ihren Bands die Auftritte am Samstag und Sonntag in Passau vorbereiten. Und es zeigt sich in der Offenheit, mit der die Musiker, Techniker, Filmer und Nautiker jeden Besucher aufnehmen - obwohl sie sich untereinander noch nicht einmal richtig kennen.

Umso tragischer erscheint es, dass die junge Mission auf logistischer Seite vor Problemen steht, die im schlimmsten Fall bewirken könnten, was der Sturm nicht geschafft hat: Alles kentern zu lassen. Als größtes Sorgenkind erweist sich von Anfang an das Schiff, das den Bühnenfrachter und das daran befestigte Wohnschiff für Goisern und seine Band anschiebt: Es ist zu schwach. Rund 20 Stunden dauert die Fahrt nach Melk, sechs Stunden länger als vorgesehen. Beim Abendessen zählt Goisern die 100-Meter-Markierungen am Ufer, stoppt die Zeit und kommt auf vier Stundenkilometer. Er lächelt müde und murmelt etwas wie "da können wir uns bald die Kugel geben".

So einfach die Lösung - ein leistungsstärkeres Schubschiff - scheint, so schwierig gestaltet sich die Umsetzung. Manager Hein telefoniert pausenlos, doch die Reederei bleibt unnachgiebig: Das Schiff reiche aus, das langsame Tempo sei normal und "aus Sicherheitsgründen" sogar wünschenswert. Während der Fahrt durch die Wachau wird der Goisern-Frachter mehrfach von Schiffen derselben Reederei überholt, deren Besatzung fröhlich herüberwinkt. An Bord bemüht man sich um gute Miene - doch der Ärger wächst, zurückwinken mag bald niemand mehr. "Es ist ja nicht so, dass wir sonst keine Herausforderungen zu meistern hätten", sagt Hein mit der ruhigen Freundlichkeit, hinter der er Anspannung zu verbergen pflegt. "Das hier sind keine normalen Tourbedingungen. Für dieses Projekt gibt es kein Vorgängermodell, vieles ist für uns noch nicht kalkulierbar." Zu den Unwägbarkeiten gehören vor allem auch die Spielstätten. "Wo darf man wie lange unter welchen Bedingungen auftreten", ist eine Frage, die Goisern und alle anderen auch nach Tourbeginn beschäftigt.

So ist Passau aus ihrer Sicht ein echtes Ärgernis. "Der Rathausplatz war nicht meine Wahl", sagt Goisern. "Ich hätte lieber am Inn gespielt, aber das ging nicht. Ich fürchte mich vor den Häusern. Wir spielen ja direkt gegen die Häuser." Tontechniker Wolfgang Spannberger, ein langjähriger Begleiter Goiserns, äußert sich ebenfalls kritisch: "In Passau schreibt man uns, wie auch sonst in Bayern, 60 Dezibel als Lautstärkegrenze vor. 60 Dezibel, so viel hat ja schon ein normales Gespräch." Er rauft sich die langen Haare.

Angst vor den Konzerten in Passau

Doch die Dreiflüssestadt ist noch weit weg. "Passau darf mich gerade gar nicht interessieren", sagt Goisern. Seine Stimme verrät Erschöpfung. "Es sind so viele logistische Sachen aufgetaucht, über die ich nachdenken muss. Wir haben so viel Zeit verloren, wir müssen beweisen, dass wir ein anderes Schiff brauchen." Er bricht ab und verschwindet wieder unter Deck. Draußen ziehen weiter Schiffe vorbei. Eines heißt "Destiny", Schicksal. Es fährt in die Gegenrichtung.

"Es gibt kein Zurück!", sagt Goisern später mit fester Stimme und mustert mit zusammengekniffenen Augen erst sein Gegenüber, dann die windgekräuselte Donau. Als hätte ein guter Geist ihn sprechen gehört, willigt die Reederei gestern Abend schließlich ein: Schon heute bekommt er ein neues Schubschiff mit doppelter Kraft.

Soundcheck in Wien - 22. Juni

26. Juni 2007 | Text & Fotos: © Sarah Marchant

Die Sonne schien und der Himmel war blau am Freitag, 22. Juni, als Hubert von Goisern und seine Band für ihr Kick-Off-Konzert den Soundcheck machten. Das Schiff der Linz Europa Tour lag in der Nähe von der Ö1-Bühne beim Donauinselfest und Enten schwammen glücklich auf dem Fluss herum, während die Musiker die letzten Sachen überprüften. Leider blieb der blaue Himmel nicht blau. Die Bühne wurde von einem plötzlichen Sturm und einer regelrechten Regenflut überrascht. Die Musiker und die Crew wurden samt ihrem Equipment durchnässt, als sie ihre Anlage vom Regen retten wollten. Das Konzert wurde so auf Sonntag, 24. Juni, verschoben. An diesem Abend sorgte der Beginn der Linz Europa Tour 2007 - 2009 für einen enormen Publikumsandrang, als Hubert von Goisern und seine Band mit der Hohtraxlecker Sprungschanznmusi und Willi Resetarits aufgeigten.

Ein "schöner Haufen Technik" lässt die Donau-Ufer erklingen

Der Standard 22. Juni 2007 | Text: Markus Rohrhofer | Fotos: Alfred Habitzl

Martin Heller und Hubert von GoisernEin Schiff wird kommen:
Hubert von Goisern startet Linz-09-Tour

Wallsee - "David, bitte dafoi' di net". Der warnende Ruf Hubert von Goiserns erreicht Keyboarder David Lackner just in dem Moment, in dem er einen endgültigen Niedergang auf dem rutschigen Anlegesteg nur mittels zirkusreifem Balanceakt verhindern kann. Ein Schiff hat seine Tücken, der Fluss ist rau, speziell für musikalische Landratten.

Dennoch hieß es für Hubert von Goisern samt Band und Schiffs-Crew am Mittwochabend im niederösterreichischen Wallsee "Leinen los". Der Weltmusiker aus dem Salzkammergut trat Punkt 19.30 Uhr seine musikalische Schiffsreise auf der Donau zwischen Bayern und dem Schwarzen Meer als Botschafter für Linz 09 an. In einer ersten Etappe plant der Ausnahmemusiker 22 Konzerte mit mehr als 100 Künstlern aus und in ganz Europa.

"Zusammen werden wir Wellen schlagen und die Donau und ihre Ufer zum Klingen bringen", ist Goisern überzeugt. "Beim Fischen mit dem Franz ist die Idee zur Europa-Tour auf der Donau geboren worden", erinnert sich der Musiker. Der fischende Franz ist abseits seines Hobbys das Familien- und Firmenoberhaupt der Brandner Schifffahrt GmbH. Das Traditionsunternehmen hat den Kahn für das schwimmende Vorprojekt für Linz 09 flott gemacht.

Zwischen Technik ...

KücheDas 700 PS starke Herzstück des Trosses ist die MS Wallsee. Dem Schubschiff vorgespannt ist eine zur Hightech-Bühne umgebaute Barge und das Wohnschiff für die 25-köpfige Besatzung.

"Der Schubverband ist wie ein Lebewesen. Faszinierend, aber auch gefährlich", rechtfertigt Hubert von Goisern den Drachen auf der Flagge. "Ein schöner Haufen Technik" sei auf dem Schiff, da könne man sich "schon sauber weh tun, wennst was falsch machst". Die nötige Vorsicht wäre damit bei den Schaulustigen eigentlich schon geweckt gewesen, doch Herr von Goisern legt nach: "Mind your head, mind your step - hearst hob i a schlechts Gfüi', wonn Betriebsfremde auf des Schiff kumman". Vom kargen Schiffsleben ist man auf dem Kulturkutter aber weit entfernt. "Heute gab's asiatisches Hühnchen mit Gemüse und Basmatireis und als Alternative Käsespätzle" - Schiffskoch Holger Alt lässt sich nicht lumpen. Vorbei an duftenden Rosmarinsträuchern und einer Freiluftbadewanne führt der Weg zum Dorfplatz. Der ist mit grünem Rasenteppich ausgelegt, darauf ein großer Tisch, feine Ledersessel laden zum Verweilen mit Donaublick.

... und Fisch-Meditation

"Hier findet das gemeinsame Leben abseits der Tour statt", erzählt Tourmanager Jonas Steckel. Einen Lagerkoller fürchtet man übrigens nicht. "Das meditative Fischen im Donaudelta entspannt", schmunzelt Steckel.

Gratiskonzerte entlang der Donau stehen unter anderem in Österreich, Auftakt ist das Wiener Donauinselfest am Freitag, Deutschland, Ungarn, Kroatien und der Ukraine auf dem Tourneeplan des singenden Kapitäns Hubert von Goisern. "Das Projekt ist eine Prüfung des Selbstvertrauens und des Glaubens". Der Mann der Berge ist Teil der Wellen.

Hochwassergefahr im Speicherplatz

Salzburger Nachrichten 16. Juni 2007 | Text: Bernhard Flieher | Foto: Esher

In wenigen Tagen sind die "Leinen los"! Vor seinem ehrgeizigsten Projekt, der Linz-Donau-Tour, nimmt sich Hubert von Goisern Zeit für ein ausführliches Gespräch.

Im Garten weht ein leichtes Lüfterl, so wie an Bord, wenn Windstille herrscht und nur die Fahrtgeschwindigkeit die Luft leicht bewegt. An der Wand beim Aufgang zu seinem Studio hat der 54-jährige Hubert von Goisern eine Landkarte hängen. Der Balkan und seine Nachbarländer sind darauf zu sehen. Dorthin geht es ab Donnerstag nächster Woche. Den Auftakt bildet ein Auftritt beim Donauinselfest in Wien. Im ersten Teil seiner Linz-Donau-Tour geht es - mit kurzem Abstecher bis Regensburg - zweieinhalb Monate lang entlang des südöstlichen Teils des 2845 Kilometer langen Flusslaufs.

In den Regalen unter der Treppe zum Studio liegen Presseinformationen und die CDs der Künstler, die mit dem Goiserer auf dieser Tour spielen werden. Vorfreude macht sich breit, wenn er von diesen Musikern spricht. Der Respekt "vor allem, was bei so einer Tour passieren kann", steigt auch - aber: "Ein bisserl eine Ungewissheit muss schon sein, sonst wär's nix", sagt der Goiserer.

Das Konzertschiff

Das Konzertschiff

Warum brechen Sie zu dieser Reise auf?

Wenn ich jetzt drüben beim Nachbarn den Rasenmäher höre, dann habe ich das Gefühl, ich fahre los, um Ruhe zu finden und Konzentration. Spaß beiseite: Ich wollte wieder auf Tour gehen. Ich wollte aber keine Wiederholung - und selbst ein inhaltlich neues Programm wäre so eine Wiederholung gewesen. Es wären wieder dieselben Hallen und Städte. Und andere Regionen, andere Lebenseinstellungen lernt man eben am besten kennen, wenn man sich dort bewegt und mit den Leuten gemeinsam etwas macht.

Der erste Teil Ihrer auf drei Jahre angelegten Reise führt durch Osteuropa, durch Länder, die gerade in der EU angekommen sind, die teils gerade erst selbstständige Staaten wurden oder die Wunden kürzlicher Kriege lecken. Welche politische Dimension hat diese Tour für Sie?

Ich bin ein überzeugter Grenzauflöser. Andererseits ist die Europäische Union gerade in den Bereichen, wo wir uns bewegen, nicht nur "leiwand". Da sind durch den EU-Beitritt von Rumänien und Bulgarien erst recht massive Grenzen entstanden zwischen einst eng verbundenen Regionen. Etwa dort, wo die EU-Grenze Rumänien von Moldawien trennt. Dort bildet die Donau als Grenzfluss eine größere Barriere als noch zur Zeit der Sowjetunion. Da können die Leute der einen Seite heute besser mit Salzburg oder Wien handeln als mit dem Nachbardorf jenseits des Flusses, mit dem es eine jahrhundertelange Beziehung gibt. Wer es sich leisten kann, für den ist alles super. Wer nicht, für den zeigt die EU ihr elitäres Gesicht.

Sie bewegen sich auf ihrer Reise meist genau dort, wo die Grenze verläuft: auf der Donau. Der Fluss ist Lebensbringer und Gefahrenquelle, Grenze und verbindendes Element.

Oh ja. Diese Reise ist - nicht nur organisatorisch und technisch - das Komplexeste, was ich je gemacht habe. In knapp drei Monaten geht es durch zehn Länder, und wir begegnen sieben Sprachen. Dazu kommen alle paar Tage mit den lokalen Künstlern ein neuer Lebensgroove und eine neue musikalische Sprache an Bord.

"Ein solcher Austausch verlangt enorme Kräfte." Das klingt recht anstrengend.

Ja eh. Andererseits sind es nur gut zwei Dutzend Konzerte. Sonst spielen wir ja bis zu 100 Konzerte im Jahr. Das Projekt braucht aber dennoch den längsten Atem, nicht nur, weil ich schon seit eineinhalb Jahren vorbereite. Der Austausch, das Einanderkennenlernen, das Musizieren, das Austesten, aber auch das Ausgetestetwerden - verlangt enorme Kräfte.

Also nochmals gefragt: Sie hatten in der Vergangenheit große Erfolge, müssen auch nicht mehr beweisen, dass Sie ein Weltbürger sind und ein aufmerksamer Reisender. Warum tut man sich das dann an, wenn man weiß, dass es anstrengend wird?

Ich hab' ja eh ein mulmiges Gefühl. Aber es ist ein bisserl so, wie es mit den Bergen ist. Da schaut man einen Berg lange von unten an und irgendwann fasst du dir ein Herz und gehst hinauf, auch wenn du weißt, dass das anstrengend wird. Aber es siegt die Hoffnung auf einen unglaublichen Ausblick, auf die Überwindung. Ich mach' alle meine Sachen ja auch, weil ich ein Suchender bin. Und dabei such' ich eben nicht nur die schönsten Spaziergänge rund um einen See. Außerdem ist diese Tour die weitaus spannendste, die ich je gemacht habe. Ich hoffe, dass das Wasser auch dieses Mal jene beruhigende Wirkung hat, die ich immer erlebe, wenn ich auf einem Boot unterwegs bin. Da kehrt in mir große Ruhe ein, da gibt es kaum eine Hektik. Da passiert einfach vieles von allein. Wasser, da empfinde ich niemals Stress. Aber Befürchtungen überkommen mich schon, dass mein Speicherplatz in Herz und Hirn dieses Mal so voll sein könnte, dass einfach nichts mehr reinpasst.

Was passiert dann?

Na ja, gemeinsam spielen, das geht sich immer noch aus, aber es muss ja mehr sein auf dieser Reise, als nur gemeinsam ein paar Konzerte zu spielen.

Wie ist "mehr" zu definieren?

Ich hoffe, die Reise ist Ausgangspunkt eines langen Prozesses. Es wäre wohl zu kühn, zu erwarten, dass gleich auf dem Schiff etwas Großes rauskommt. Wenn es - unter Anführungszeichen - blöd hergeht, dann entsteht bei allen Beteiligten Begeisterung. Dann wird man sich wieder treffen und hoffentlich gemeinsam etwas produzieren. Das ist dann Arbeit für die nächsten drei, vier Jahre.

Sie präsentieren mit neuer Band auf der Tour ein Best-of-Programm. Warum gibt es keine neuen Songs?

Ich wollte gern etwas Neues machen. Aber Produzieren neben Organisieren - das ist sich einfach nicht ausgegangen. Für den östlichen Teil der Tour passt das Programm ja durchaus gut. Für nächstes Jahr, wenn es im Westen durch viel vertrautes Land geht, soll es jedenfalls Neues geben. Da sind wir dann als Band auch gut eingespielt. Wir haben an Bord ja auch Zeit, in der wir nur unter uns sein werden - und die neue Band, das sind lauter musikgeile Leute. Ich gehe davon aus, dass wir mit etwas zurückkommen, aus dem ein ganz neues Programm entstehen kann.

"Es wird etwas Rest-Anarchie brauchen"

OÖN 14. Juni 2007

Am 20. Juni legt die "MS Wallsee" mit schwimmender Bühne ab. Hubert von Goisern bricht zur Linz Europa Tour auf, einem Projekt der Kulturhauptstadt 09. Auf der Ost-Tour zwischen Regensburg und Donaudelta legt der Kahn der Brandner Schifffahrt für 21 Konzerte an, im Sommer 2008 geht es bis Rotterdam. Ein OÖN-Interview mit Hubert von Goisern und Kapitän Franz Brandner.

Was bringt einen Wassermenschen und einen Bergmenschen zusammen?

Hubert von Goisern: Die Linzer Klangwolke. Da war einmal die Rede davon, dass ich sie machen soll und deshalb sollte ich sie mir erst einmal anschauen. Ich bekam einen VIP-Platz auf der "Josef". Da haben wir uns kennengelernt und ich durfte gleich einmal fahren. Das darf man vielleicht gar nicht laut sagen.

Brandner: Freilich, in Anwesenheit vom Kapitän darfst du. Ich bin neben ihm gestanden und er ist gefahren wie ein Einser und hat keinen Pfeiler der Nibelungenbrücke mitgenommen.

Haben Sie Bootserfahrung?

Hubert von Goisern: Ich bin ein Kanufahrer, habe das Rudern auf einer Zille gelernt, gondolieremäßig.

Was können Sie mit Huberts Musik anfangen?

Brandner: Einmal hat er die Harmonika mitgehabt, beim Fischen unterm Strudengau, wo ich an der Donau neun Kilometer Fischwasser habe, und in Wallsee in einem Altwasser. Da hat er einen Hecht gefangen ...

Hubert von Goisern: ... der war 70 Zentimeter lang.

Brandner: . . . und gespielt hat er auch.

Hubert von Goisern: Das war aber das eine Mal, als wir nichts erwischt haben, am Nationalfeiertag. Um das Fischerglück zu beschwören, haben wir die Bundeshymne gesungen.

Brandner: . . . aber es hat auch nichts geholfen.

Hubert von Goisern: Und da hast du mir erzählt, wie du das erste Mal mit deinem Vater die Donau runtergefahren bist.

Brandner: Das war 1938, mit dem Floß bis Budapest. Ich war damals sechs Jahre alt. Bis '45 hat sich nicht viel getan, der Vater war eingerückt, und nach dem Krieg haben wir wieder angefangen, wir drei Brüder mit dem Vater. Damals hat's noch keine Kraftwerke gegeben, außer oberhalb von Passau. Nur die Russen sind mit ihren Kanonenschiffen gefahren, 13 an der Zahl, jedes mit 9000 PS, die waren unterhalb der Ennsmündung, in Au an der Donau stationiert. Wenn die gekommen sind, haben sie haushohe Wellen gemacht. Wenn wir da keinen Altarm erwischt haben, war's aus.

Wie ist es zu dem Projekt gekommen?

Hubert von Goisern: Die Erzählungen über die Fahrten von Franz in Richtung Schwarzes Meer und diese Abenteuerlust haben sich mit einer Idee verschmolzen, die ich schon vor zehn Jahren in Afrika hatte: mit einem Schiff entlang des Tanganika-Sees ein Festival mit lokalen Bands zu veranstalten. Warum das nicht auf der Donau umsetzen?

Brandner: Du hattest vor, mit der "Negrelli" zu fahren, was aber daneben gegangen ist.

Hubert von Goisern: Dieses Schiff, das der "Via Donau" gehört und im Besitz des österreichischen Staates ist, wollten wir für dieses Projekt adaptieren. Das war ein Tauziehen mit den Behörden ohnegleichen, das hat niemand verstanden. Die haben uns ein halbes Jahr hingehalten, bis wir den Hut draufgehaut haben. Aber ich bin so glücklich darüber, wie es jetzt läuft, dass ich mir sage, wer weiß, wofür es gut war.

Mit welchen Gefühlen sehen Sie dem nahenden Start entgegen, wie sind die Erwartungen?

Hubert von Goisern: Ich erwarte mir, dass wir überall anlegen können, wo wir wollen, dass die wasserrechtlichen und behördlichen Geschichten erledigt sind. Es wird wohl ein bisschen Rest-Anarchie brauchen, um alle Pläne umzusetzen. Der Bürgermeister von Ismail hat sich zum Beispiel alle meine Texte übersetzen lassen, um zu überprüfen, dass da eh nichts Revolutionäres drinnen ist. Und dann hoffe ich auf einen guten mittleren Wasserstand, nicht zu viel, nicht zu wenig. Wir spielen am Schiff auf einer Bühne, auf der die Ton- und Lichttechnik optimal ist, und wir brauchen nicht jeden Tag auf- und abbauen wie sonst. Wir haben ein schwimmendes Studio, können Tag und Nacht produzieren, auch wenn wir fahren.

Was wird herauskommen?

Hubert von Goisern: Eine DVD, damit alle sehen können, was passiert, wenn sich Musiker treffen. Wir haben ein Filmteam dabei, das alles dokumentiert. Das wird auch ins Fernsehen kommen, da der ORF über beide Reisen fünf 30- bis 45-Minüter produziert.

Was erklären Sie jemandem, der sich fragt, wofür Ihr Projekt im Zusammenhang mit der Kulturhauptstadt gut ist?

Hubert von Goisern: Die Betreiber, allen voran Intendant Martin Heller, wissen sehr wohl, dass Kulturhauptstadt nicht ist, in einem Jahr möglichst viele Feuerwerke abzuschießen, die verrauchen. Die Idee, die beiden Ströme Europas, die Donau und den Rhein-Main, schon vorher zu befahren und für den Nabel Linz zu werben, macht Sinn. Ich bewerbe meine Konzerte ja auch vorher.

Sie spielen im Osten gratis?

Hubert von Goisern: Ich will nicht, dass einer nicht kommt, weil er es sich nicht leisten kann.

Wer kommt für die Kosten auf?

Hubert von Goisern: Ein Drittel kommt von Linz09, worin Bund, Stadt und Land vertreten sind, ein Drittel von Red Bull und ein Drittel von mir und meinem Management.

Was ist Ihnen dabei wichtig: ein künstlerischer, humanistischer oder politischer Aspekt?

Hubert von Goisern: Es hat schon auch einen politischen Aspekt, denn abgesehen von Serbien, Kroatien, der Ukraine und Moldawien sind alle Länder, die wir durchfahren, bei der Europäischen Union - aber so ein wirkliches Gefühl füreinander ist noch nicht da, vor allem Richtung Osten. Da schließe ich mich selbst auch mit ein, und ich möchte diesen Umstand korrigieren, indem ich da hinunterfahre, Menschen treffe. Wir haben schon immer in den Nachrichten, 'ui jetzt kommen die vom Balkan, aus dem Osten, und eigentlich wollen wir sie nicht.' Und als ich im Vorjahr in Bulgarien und Rumänien war, habe ich gemerkt, dass sich alle vor der EU fürchten. Das ist schon interessant: Hier fürchten sie sich vor unten und unten fürchten sie sich vor oben. Ich finde, wir gehören alle zusammen, und ich mag diese Grenzkontrollen nicht, sondern einen freien Personen- und Gütervekehr. Wenn der Transport nicht mehr gestützt und der Agrarexport nicht subventioniert wird, ergibt sich von selbst ein Equilibrium.

Wenn Sie Musiker aus dem Südosten zum Linz-Fest bringen, freuen sich die Leute. Wenn die Musiker hier um Arbeit fragten, bekämen sie wahrscheinlich ein "schleichts euch!" zu hören.

Hubert von Goisern: Ist das so? Ich weiß es nicht. Wenn jemand seine Talente anbietet und man keine Verwendung dafür hat, kann man das ja nett sagen.

Und wenn es anders ist?

Hubert von Goisern: Man muss es akzeptieren. Aber man kann einen persönlichen Beitrag dazu leisten, dass es besser wird.

Herr Brander, Sie werden der Kapitän sein?

Brandner: Ich habe gesagt, dass ich fahre, aber derzeit weiß ich nicht, ob ich es gesundheitlich packe. Ein Stück werde ich auf jeden Fall mitfahren.

Hubert von Goisern: Er ist der Beste.

Zum "weißen Fleck auf der Landkarte"

Wiener Zeitung 15. Juni 2007

Am 20. Juni macht sich Hubert von Goisern auf den Weg nach Europa

Wien. (ju) Die Kulturhauptstadt Linz beginnt offiziell erst am 1. Jänner 2009. Ein Vorbote startet bereits am 20. Juni 2007. Ein gewaltiger Vorbote, um genau zu sein. Hubert von Goisern startet am nächsten Mittwoch seine Linz Europa Tour. Die Donau wird für drei Jahre sein Zuhause. Per Schiff steuert er im ersten Jahr 20 Häfen an. 12.000 Kilometer wird er zurücklegen. Und dabei mit Musikern vor Ort musizieren und konzertieren.

Start auf der Donauinsel

Das Auftaktkonzert findet am 22. Juni am Donauinselfest statt - von Goiserns erster Partner ist hier Willi Resetarits. Von hier aus geht es mit drei Schiffen über Regensburg und Passau in Richtung Kroatien, Rumänien, die Ukraine, Ungarn, Serbien und die Slowakei. Am 1. September endet die erste Etappe der dreijährigen Tournee wieder in Linz. 2008 geht es nach Norden durch den Rhein-Main-Donau-Kanal bis Basel und Rotterdam.

Hubert von Goisern bereiste in den vergangenen Monaten bereits die östlichen Länder, verhandelte mit Ämtern und Künstlern. Und berichtet bei einer Pressekonferenz in Wien von vielen bürokratischen Hürden, die sich ihm und seinem Team gestellt haben. Wenn auch viele Grenzen gefallen seien, bestehe vielfach bei den Menschen auch "eine Barriere im Kopf". Durch das Projekt und das gemeinsame Musizieren soll man "anderen Mut geben, aufeinander zuzugehen und zuzuhorchen". Er freut sich auf das "Eindringen in einen weißen Fleck auf der Landkarte".

Vier-Millionen-Projekt

Goisern trägt einen Teil des Tourneerisikos selbst. Das Projekt kostet für die ersten zwei Jahre immerhin vier Millionen Euro. Ein Drittel davon wird die Kulturhauptstadt Linz tragen, ein Drittel Dietrich Mateschitz, also "Red Bull", und ein Drittel der Künstler selbst. Es soll durch die Konzerte wieder hereingespielt werden. Die sind nämlich nur in den Ostländern, Wien und Linz bei freiem Eintritt zu sehen.

Ö1 wird das Projekt begleiten: mit Konzertübertragungen und "journalistischer Begleitarbeit", wie Ö1-Sendechef Alfred Treiber erklärt. Durch eine Kooperation sollen die Konzerte auch von lokalen Sendern dokumentiert werden. Kulturministerin Claudia Schmied, die die Patronanz über das Projekt hat, meinte: "Musik kennt keine Grenzen, und Flüsse kennen keine Grenzen."