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LINZ EUROPA TOUR 2007-2009

Was verbindet Europa?

Stuttgarter Nachrichten 19. Juli 2008 | Text: Oliver Stenzel | Foto: Frank Eppler

Hubert von GoisernDie Donau schlängelt sich knapp über dem Pegel des Neckars. Auf dem Rumpf von Hubert von Goiserns zur Bühne umgebautem Frachtschiff ist ein stilisierter Donaulauf gemalt, mit allen Städten, die der Österreicher 2007 im Rahmen seiner Linz-Europatour angelaufen hat - von Vukovar in Kroatien bis Ismail im ukrainischen Donaudelta.

Kombiniert mit dem sanft plätschernden Neckar und den fast schon pittoresk angegammelten Lagerhallen beidseits des Stuttgarter Hafenufers, kann sich da schon ein wenig Fernweh und Urlaubsstimmung breitmachen - mag das aufgepinselte Blau des Schwarzen Meeres auch bald in das Rot eines attackierenden Stieres übergehen, unschwer einem Energy-Drink-Hersteller zuzuordnen, und in Erinnerung rufen, dass ein solches Unternehmen allein mit den Zuschüssen aus dem Kulturhauptstadtbudget der Stadt Linz wohl nicht zu stemmen ist. Doch ist der Stier mythologisch ja auch eng mit der Entstehung Europas verknüpft, und insofern handelt es sich zweifellos um symbolbewusstes Sponsoring.

Nach mehrerer wegen Grippe abgesagter Konzerte kann von Goisern am Donnerstag (und Freitag) wieder auf die Bühne, und auch der Himmel hat Erbarmen, hält seine Schleusen nach einem Dauerregentag das gesamte Konzert über geschlossen. Sogar die Sonne durchbricht kurz die Wolken, allerdings nur für den eröffnenden Stuttgarter Liedermacher Philipp Poisel. Der 25-Jährige legt einen selbstbewussten Halb-Stunden-Auftritt hin, seine sanften Akustikballaden bleiben in Erinnerung.

Eine Viertelstunde später dann von Goisern. Er beginnt nach knappem "Griaß eich!" mit sehr traditionellen Weisen auf dem Akkordeon. Erste Juchzer im Publikum, dann entert ein Teil der stark verjüngten Band die Bühne, Drummer, Bassist und Gitarrist im Schottenrock vertreiben mit krachenden Beats und Riffs jede Schunkelseligkeit. Es folgen drei bezaubernde Damen für Backgroundgesang und -jodeln, Violinen und Percussion.

Allein mit Dekonstruktion von Volksmusik hält sich der 55-jährige Hubert von Goisern heuer indes nicht mehr auf, die größtenteils von seinem neuen Album S'Nix stammenden Stücke präsentieren ein überbordendes Stilgemisch von Rock'n'Roll über Polka, Funk, Reggae, Soul bis hin zu osteuropäischer Folklore. Für Letztere sorgt dabei vor allem die grandiose Gadulka-Spielerin Darinka Tsekova, die von Goisern auf der Tour in Bulgarien kennengelernt hat. Mitgebracht hat der Österreicher aus Osteuropa nicht nur Musik, sondern auch eine Botschaft, ein Plädoyer gegen Stereotypen: "Der wilde Osten und der zahme Westen - des stimmt alles net. I woaß, was uns verbindet: die Angst voranander."

Angst vor Grenzen hat Hubert von Goisern erkennbar keine, und neben musikalischen Grenzüberschreitungen in einem gegen Ende immer furioseren Konzert bekommt wohl ein Großteil des Stuttgarter Publikums an diesem Abend auch ein ganz anderes Neuland erstmals zu Gesicht: den Hafen als stimmungsvollen Veranstaltungsort.

Künstler müssen kommen, um die Stadt an ihren Fluss zu erinnern. Auch davon könnte Hubert von Goisern singen - vielleicht, wenn er 2009 zu Hause in Linz von seinen Stationen erzählt und sich an zwei Abende in Stuttgart erinnert.

Hubert von Goisern erobert Europa mittels Konzertschiff

APA 19. Juli 2008

Im Rahmen einer Werbe-Tour für die Kulturhauptstadt Linz09, bespielt der Musiker 30 europäische Städte vom Wasser aus. Zuletzt begeisterte er in Stuttgart die Massen.

Riesige Altmetall-Container und Lastenkräne, bunte Linz09-Luftballons, düster-graue Wolken: Das Ambiente erinnerte klischeehaft mehr an den Osten Europas, den Hubert von Goisern voriges Jahr auf einem Konzertschiff von Niederösterreich bis ins Donaudelta am Schwarzen Meer durchquerte.

Nun ist der Musiker jedoch über den Rhein-Main-Donau-Kanal am Weg westwärts bis nach Rotterdam. Am gestrigen Freitagabend gastierte er in Stuttgart und ließ mit einer mitreißenden Show vor tausenden Zuschauern "die Illusion eines grenzenlosen Europas" aufleben.

"Der europäische Gedanke ist mir einfach wichtig", betonte Von Goisern unmittelbar nach dem siebenten Konzert der "West-Tournee". Sowohl im Osten als auch im Westen Europas bestehe die Angst, dass die Vereinigung der Länder unter dem Mantel der EU mehr Nach- als Vorteile bringe. Doch die Vorstellung eines Kontinents ohne Grenzen sei "zu schön, um es nicht zumindest zu probieren".

Seit 26. Juni ist Hubert von Goisern mit dem 77 mal zwölf Meter großen, mit einer Hydraulikbühne ausgestatteten Konzertschiff unterwegs, nicht erst einmal wurden der knapp 30-köpfigen Crew seitdem Steine in den Weg gelegt. Während man im "wilden Südosten" hauptsächlich auf Neugier gestoßen sei, ist man in Deutschland vor allem auf den guten Willen der zahlreichen Behörden angewiesen - der nicht immer vorhanden war. Das Publikum in Stuttgart goutierte die Geschichten über störrische Beamte und deutschen Amtsschimmel jedenfalls mit viel Gelächter.

Musikalisch bewegte sich der Abend uneinordenbar im Bereich von Ethno-Pop mit Reggae-, Soul-, Folk- und Jazz-Einflüssen, das populäre Akkordeon kam indes nur selten zum Einsatz. Dazwischen sorgten Ausflüge in die Trip-Hop-Richtung und ein - gerade in Stuttgart äußerst passendes - Janis-Joplin-Cover von Mercedes Benz für launige Abwechslung.

"Mit diesen Musikern vergisst du die Welt", zollte Von Goisern seiner Band Tribut, die sich schon zum Auftakt des Abends beim spontanen Auftritt von Rolf Stahlhofen, einem ehemaligen Söhne Mannheims-Mitglied, als perfekte Begleit-Combo erwies.

Insgesamt werden Von Goisern und seine Crew nach der Ost- und West-Tour zweimal zehn Wochen unterwegs gewesen sein, das Ausgabenbudget von rund vier Millionen Euro stellen größtenteils Hauptsponsor Red Bull und die Kulturhauptstadt Linz09.

Bis Ende August wird Von Goisern auf seiner zweiten Linz09-Tour rund 30 Konzerte absolviert haben. Krönender Abschluss soll im Juli 2009 ein mehrtägiges Hafenfestival sein, bei dem alle Künstler, die an den Konzerten teilgenommen haben, mitwirken sollen.

Das existenzielle Risiko des Bergsängers am Fluss

Stuttgarter Zeitung 16. Juli 2008 | Text: Michael Werner | Foto: Jürgen Skarwan

Vier Konzerte seiner Linz-Europa-Tour hat Hubert von Goisern wegen einer schweren Sommergrippe absagen müssen. Morgen nimmt der Sänger im Stuttgarter Hafen die Flusstournee wieder auf.

Hubert von GoisernZwei von Hubert von Goiserns Verbündeten haben derzeit eine Menge Ärger am Hals: Martin Heller, der Intendant der Kulturhauptstadt Linz 2009, steht für sein ambitioniertes Programm in Linz unter Dauerbeschuss. "Dabei geht eh ein Großteil des Budgets nach Linz und Umgebung", sagt Heller, "ich lasse ja nicht die Anna Netrebko die Pestsäule hochklettern." Aber er hat etwas sehr Mutiges getan: Er hat eine Million Euro seines Kulturhauptstadt-Budgets in Hubert von Goiserns Linz-Europa-Tournee investiert. Der geniale Volksmusikerneuerer aus Bad Goisern im Salzkammergut ist also im vergangenen Jahr mit einem 77 Meter langen Konzert-und-Wohn-Schiff auf der Donau durch Osteuropa geschippert und hat vor Ort mit Musikern, die hierzulande niemand kennt, denkwürdige Konzertbegegnungen an mehr oder weniger verrotteten Ufern inszeniert. In Vilkovo am ukrainischen Donaudelta liebkoste er sein Lied Solide Alm so innig, dass ein Zuschauer in den Fluss sprang, der dort unten nicht besonders sauber ist.

Dieses Jahr läuft die Westtour - über deutsche Flüsse geht's bis nach Holland, und im nächsten Sommer gibt's als Abschluss und Höhepunkt ein Weltmusikfestival mit Hubert von Goisern und seinen musikalischen Gästen in Linz. "Wir benutzen diese Tour, um mittels eines Beiboots von Linz 09 zu erzählen", sagt Martin Heller, der Kulturhauptstadt-Intendant, der grad viel Ärger hat.

Der Musiker unter Druck

Den hat - irgendwie - auch Deutschlands einziger richtiger Soulstar Xavier Naidoo. Sein Management wolle, dass er mehr eigene Konzerte gebe, wird gemunkelt. Aber Naidoo verbringt derzeit fast jede freie Minute auf Hubert von Goiserns Schiff. In Mainz, vor gut einer Woche, da hat der Mannheimer den Österreicher gleich ganz vertreten, hat gejodelt und mit der Goisern-Band Goisern-Nummern gespielt. Die, die dabei waren, sagen, das sei sehr bewegend gewesen.

Dass das denkwürdige Vertretungskonzert in Mainz überhaupt notwendig wurde, liegt daran, dass Hubert von Goisern in diesen Tagen selbst den meisten Ärger hat. Osteuropa war teuer. Und der Sänger und Ziehharmonikaspieler, der sich einst von Afrika, von Tibet, aber vor allem immer wieder von seiner Heimat im Salzkammergut musikalisch inspirieren ließ, steht unter Druck: "Wenn ich nicht einen siebenstelligen Betrag einspiele - wegen Maschinenschaden oder weil uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung macht -, dann bezahlen wir das aus eigener Tasche", sagte er kurz vor dem Start seiner Westtournee. "Das Risiko ist groß, auch das existenzielle."

Außer Gefecht gesetzt haben den Musiker aber weder die Maschinen noch das Wetter. Sein Körper war's. Nach dem Nürnberger Konzert am 2. Juli mit Konstantin Wecker musste er mit Fieber in die Kajüte, am 4. Juli verließ er an der Schleuse Würzburg das Schiff und wurde zur Notaufnahme gebracht. Das Krankenhaus in Würzburg behielt ihn gleich da. Am 5. Juli fuhr ihn sein Manager abends nach Offenbach zum Konzert. Eine Stunde genehmigten die Ärzte, fast zwei Stunden spielte Hubert von Goisern.

Die Mücken brauchen ein Opfer

Dann wieder Krankenhaus, diesmal in Frankfurt, grauenhaftes Blutbild und eine fortgeschrittene Sommergrippe mit angegriffener Lunge. Hubert von Goisern, 55 mittlerweile, musste zum ersten Mal in seinem Leben Konzerte absagen, eines in Mainz, zwei in Ulm, eines in Karlsruhe. Aber morgen im Stuttgarter Hafen geht er wieder auf seine Schiffsbühne. Er will unbedingt.

Denn Hubert von Goisern hat eine wunderbare Fracht geladen. S'Nix, sein im Mai erschienenes elftes Studioalbum ist sein allerbestes geworden und der gewagteste Sprung nach vorne, seit er vor zwanzig Jahren die Alpine Lawine aufgenommen und damit die Volksmusik verändert hat. S'Nix ist leidenschaftlicher Lebenshunger zu prasselnden Gitarren- und Schlagzeuggewittern, zu furiosem Geigenwahnsinn, zu Bass- und Keyboard- und Ziehharmonika- und Jodellabyrinthen, in denen man sich lustvoll verirren kann. S'Nix ist vertrackt und doch beglückend eingängig. "I wü neama singa, i wü schrein", bekennt Hubert von Goisern im Lied Herschauen, aber im entwaffnenden Liebeslied Die Liab verneigt er sich dann doch mit berührender Zartheit vor dem Leben. Die pralle, ungehemmte, grenzüberschreitende Musikalität des Hubert von Goisern auf S'Nix ist ein mit der Tourband eingespieltes Donaudestillat, das es einem unmöglich macht, zur Tagesordnung überzugehen. Stattdessen beginnt man, nach dem Leben im eigenen Dasein zu fahnden.

Hubert von Goisern weiß, dass er mit S'Nix etwas ganz Neues fabriziert hat. "Ich weiß nicht, ob die Hälfte meines Publikums sagt: 'Da gehe ich nicht mehr mit, das ist mir zu fremd'", sagte er vor dem Tourstart. Er weiß auch, dass man mit jedem Schritt Spuren hinterlässt und auf etwas tritt. Er kann inzwischen damit umgehen: "Dabei kommst du ins Schwitzen, und dann kommen die Mücken und umschwärmen dich und beißen dich. Aber die brauchen auch irgendein Opfer, irgendetwas, wo sie sich ansaugen und leben können." Und eines hat er auf der Donau in Osteuropa gelernt: "Dialog heißt eben, dass der andere auch was zu sagen hat, und setzt nicht voraus, dass er die Sachen sagt, die ich hören möchte."

Hubert von Goisern hat sich im Booklet seiner CD bei Xavier Naidoo bedankt, der im traumhaft lebensbejahenden Lied Siagst as mitgesungen hat. "Treffen wir uns unterwegs!" hat er seinem neuen Freund geschrieben. Und Martin Heller, der Linz-09-Intendant, ist für ihn "ein integrer Mensch".

Martin Heller hat mitgelitten, in der Ukraine, "wo der Hubert seine Sprache nicht mehr anwenden konnte". Xavier Naidoo will gar nicht mehr runter vom Schiff. Und Hubert von Goisern weiß inzwischen, was die meisten anderen am meisten verwirrt hat: "Wir sind nach Osteuropa gefahren, um etwas dorthin zu bringen, und nicht, um Kohle zu machen." Er weiß, wie es sich anfühlt, missverstanden zu werden. Die Kategorie des Sichärgerns aber hat Hubert von Goisern auf seiner Platte S'Nix mit spielerischer Leichtigkeit und mit dröhnender Schwere sehr weise überwunden. Er spielt Musik ungestüm wie gegen Straßenlärm. Oder sachte wie im Schilf. Er nimmt's jetzt, wie's kommt.

Hubert von Goisern spielt morgen und am Freitag jeweils um 19.30 Uhr im Stuttgarter Hafen (Am Mittelkai 16). Gäste: Philipp Poisel (morgen), Rolf Stahlhofen (Freitag).

Alpine Showtime: Hubert von Goisern begeistert in Offenbach

Frankfurter Neue Presse 8. Juli 2008 | Text: Joachim Schreiner

Hubert von GoisernIm gängigen Konzertbetrieb ist es Usus, möglichst viele Städte zu buchen, um finanzielle Reibungsverluste zu vermeiden. Diesem Trend verweigert sich seit einiger Zeit der österreichische "Alpenrocker" Hubert von Goisern. Der Entdeckung der Langsamkeit hat er sich verschrieben. Nach Stippvisiten im Osten ist nun die andere Richtung dran. Finale ist in Rotterdam.

Sozusagen auf halber Strecke machte er nun vor den Gestaden von Offenbach halt und spielte am Mainufer ein begeisterndes Konzert auf einer eigens gebauten schwimmenden Barke, einen ganzen Tross von Musikern, Familienmitgliedern und Serviceleuten an Bord. Neben bekannten Goisern-Nummer und der Feuerzeug-Schwenk-Ballade Weit weit weg stand die aktuelle CD S'Nix im Mittelpunkt.

Auf der Platte war noch Xavier Naidoo mit dabei, der, der Tradition folgend, dass auf der Linz Europa Tour immer ein Gastmusiker mitspielt, in Offenbach an Bord ging. Ergebnis ist die interessante Balladenkooperation Siagst As. Platte und Konzert wiesen eine große musikalische Bandbreite aus, tönten gleichwohl insgesamt wie aus einem Guss - ein weiterer Beweis für von Goiserns Klasse.

"Europa ist einzigartig!"

Mein Journal Juli 2008

Hubert von Goisern, gebürtig Hubert Achleitner, ist in keine Schublade zu stecken. Sein bewegtes Leben, seine Reisen ins Ausland sowie sein Wirken als Sänger und Schauspieler sprechen eine deutliche Sprache.

Wie entstand die Idee, mit Schiffen eine Fluß-Konzertreise durch Europa zu machen?

Die Idee, ein völkerverbindendes, schwimmendes Festival auf die Beine zu stellen entstand vor ca. 10 bis 11 Jahren in Afrika am Tanganjikasee. Allerdings wollte und will ich das in Afrika nicht selbst tun, sondern möchte eine integrative Person, einen Künstler, der von dort stammt, dafür gewinnen. Es gibt solche Persönlichkeiten dort bestimmt, aber ich habe noch keine gefunden. Ich als Ausländer habe das nicht in Afrika zu machen, ich habe nur die Idee. Was Europa angeht, so kam mir die Idee auf der Donau. Hier besteht auch Bedarf an völkerverbindenden Aktionen, um Misstrauen und Vorurteile zwischen EU-Bürgern abzubauen, gerade in Bezug auf den Osten und die Osterweiterung.

Am 5.7. werden Sie gemeinsam mit Xavier Naidoo in Offenbach auftreten. Auf Ihrer aktuellen CD S'Nix ist ein Lied, das Sie mit ihm zusammen geschrieben haben. Wie haben Sie ihn kennen gelernt und was hat Sie an der Zusammenarbeit gereizt?

Ich habe Xavier Naidoo vor Jahren in Oberösterreich auf der Burg Clam kennen gelernt und ihn damals spontan gefragt, ob er Lust dazu hat, mit mir zusammen etwas zu machen. Mir gefiel sein Umgang mit dem Publikum und die Stimmung, die er erzeugt hat. Als meine Europa-Tour-Idee langsam Form annahm, habe ich ihn wieder gefragt und er hat sofort zugesagt. Was das Lied auf meiner CD angeht, muß ich zugeben, dass wir aus Zeitgründen nicht gemeinsam im Studio waren. Er hat einen Teil gemacht und mir zugeschickt und ich habe meinen Teil dazu getan. Wir haben uns gegenseitig immer wieder die Aufnahmen zugesendet, bis es fertig war.

Auf Ihrer Tour treten Sie mit den unterschiedlichsten Künstlern auf. Nach welchen Kriterien haben Sie diese ausgewählt?

Einfach nach meinen persönlichen Neigungen, nach Gefühl und Situation.

Gibt es einen Künstler, von dem Sie einen Korb bekommen haben?

Ja, aber den Namen werde ich nicht verraten! (lacht) Ich hoffe nur, dass sich derjenige mittlerweile richtig ärgert!

Sie sind in Ihrem Leben bereits sehr viel und weit gereist, haben jahrelang im Ausland gelebt. Was reizt Sie an Ihrer Europatour?

Na ja, für mich ist Deutschland immer noch Ausland (lacht). Ich bin sehr gerne hier und fühle mich wohl, aber zu Hause ist es für mich nicht. Dazu müsste ich eine Weile hier leben, was ich mir auch durchaus vorstellen könnte. Europa ist einzigartig, es bietet eine große Vielfalt auf engem Raum. Das "Experiment Europa", wenn man es so nennen will, das finde ich spannend. Und hier kann ich gut musizieren.

Ihre Musik wurde ungefragt im österreichischen Wahlkampf verwendet. Gegen diesen Missbrauch haben Sie sich gewehrt. Steht man, wenn man in deutscher/ österreichischer Sprache singt, automatisch unter Verdacht, nationalistisch eingestellt zu sein bzw. bestimmten Parteien nahe zu stehen?

Nein, nur für ein paar Leute scheint das eine Art Gedankenreflex zu sein. Selbstverständlich kann man in deutscher Sprache singen. Noch extremer ist es mit der Tradition, die oft mit Nationalismus gleichgesetzt wird. Aber diese Gleichsetzung ist falsch und ich wehre mich dagegen.

Ihr Engagement für Minderheiten zieht sich seit vielen Jahren als Konstante durch Ihr Leben. Woher das Interesse?

Ich denke, das sollte ein gesunder Reflex bei jedem sein. Wenn man Schwäche und Not sieht, sollte man, wenn man selbst stark ist, nicht wegschauen, sondern helfen.

Sie haben Südafrika nach einigen Jahren aus Enttäuschung über die Apartheid verlassen. Die Apartheid ist nun seit geraumer Zeit abgeschafft. Käme eine Rückkehr für Sie in Frage?

Nein, denn damals war ich unabhängig. Heute habe ich hier meine Familie und meine Wirkungsstätte. Südafrika ist davon zu weit weg und ich habe kein Verlangen danach, dort zu leben.

Sie engagieren und interessieren sich stark für Tibet. Wie kam der Kontakt mit dem Dalai Lama zustande?

Der Kontakt kam über eine Exiltibeterin zustande. Im Zuge der Zusammenarbeit mit ihr bin ich immer mehr in das Thema hineingekommen. Irgendwann wollte ich selbst in das Land reisen und mich nicht weiterhin auf Informationen aus zweiter Hand verlassen. Ich wollte mit eigenen Augen sehen, wie die Zustände dort sind. Schon vor dieser Reise habe ich den Dalai Lama getroffen und seitdem öfter. Was ich in Tibet vorgefunden habe, ist traurig. Dort herrscht Unfreiheit. So ungefähr stelle ich mir das Leben in der DDR oder unter dem Nationalsozialismus vor. Man hat dort weder Meinungs- noch Bewegungsfreiheit.

Ein Beispiel?

Tibet besteht aus mehreren Bezirken, und ein Tibeter darf nicht von einem Bezirk in den nächsten gehen. Es herrscht dort eine unterdrückte und bedrückte Atmosphäre. Es ist ein karges Land mit warmen, herzlichen Menschen, die viel lachen, wenn man sie mal für eine gewisse Zeit aus dieser Situation herausbekommt und ablenken kann.

Wie kann Ihrer Meinung nach eine Lösung für den Konflikt mit China aussehen?

Ich bin nicht der Meinung des Dalai Lama, der sagt, dass Tibet weiter zu China gehören soll und dass China den Tibetern nur etwas mehr Freiheit zugestehen sollte. Die Lösung kann für mich nur sein, dass China aus Tibet abzieht und die beiden Länder wieder voneinander getrennt werden. Tibet hat eine eigene Schrift und Kultur, die sich von der chinesischen stark unterscheidet. Ich finde es außerdem schade, dass diese Sache ein schlechtes Licht auf die Chinesen als Volk wirft. China sollte im eigenen Interesse diese Sache zu einer Lösung bringen.

Denken Sie, dass Musiker oder Künstler im Allgemeinen politisch engagiert sein sollten und ihre Popularität einsetzen müssen?

Man muß essen, nicht wahr? Aber nur, weil jeder essen muß und will, heißt das nicht, dass auch jeder kochen kann, auch wenn das besser und gesünder wäre. Grundsätzlich finde ich es richtig, dass es eine bestimmte Gruppe Menschen gibt, die sich um das Zusammenleben und alle Belange der Menschen kümmern, eben die Politiker. Es ist deren Aufgabe. Als normaler Mensch sollte man sich für Politik interessieren, aber man muß nicht.

In seinem Element

Frankfurter Rundschau 1. Juli 2008 | Text: Ulrike Rechel

Alpenrocker Hubert von Goisern ist per Schiff auf Konzert-Tournee
- ein Gespräch über die Kunst der Zerstörung und die Lust am Scheitern

Sie touren mit dem Schiff. Was halten die Nautiker, die mit Ihnen an Bord sind, von Ihnen, dem alpenländischen Musiker?

Da kann man schon von gegenseitiger Befruchtung sprechen. Ich denke, die Nautiker an Bord - zwei mit Kapitänspatent, zwei Matrosen, ein Maschinist -, haben jetzt auch ein erweitertes Vokabular. Etwa, was Instrumente angeht. Die Gadulka zum Beispiel (eine bulgarische Kniegeige, d. Red.) kannte von denen keiner vorher. Dann kam Darinka Tsekova zu uns aufs Schiff, die das Instrument spielt, und blieb ein paar Wochen. Da wussten bald alle, dass sie die Gadulka spielt - und nicht irgendein seltsames Ding.

Wie ist Ihre Schiffstournee bisher gelaufen?

Nun, die erste Halbzeit war organisatorisch manchmal spannend. Der Abenteuer-Faktor war ganz schön hoch. Man darf die Natur nicht unterschätzen. Wir bewegen uns ja seit vorigem Jahr auf dem Schiff fast pausenlos in der freien Natur. Du hast an Bord natürlich deine Koje. Aber die ist derart klein, dass du dich dort eigentlich nur zum Schlafen aufhältst. Ansonsten bist du draußen unterm Himmel. Wenn das Wetter widrig ist, hast du teils mehr Abenteuer, als dir lieb ist.

"Titanic"-Momente blieben Ihnen erspart?

Zwei, drei böse Stürme hatten wir. Einmal sind wir mit zwei blauen Augen davongekommen. Wir hatten Sturmböen mit 120 Stundenkilometern, und das bei ausgefahrener Bühne auf dem Wasser: Die ist zwölf Meter hoch und bietet damit eine Riesen-Angriffsfläche. Wir hatten Hagel, das Schiff sah aus wie zugeschneit, uns hat es alles zerfetzt. Wer mit Computern arbeitet, kennt den Horror, wenn oben Wasser reinläuft und unten wieder rausläuft. Das ist uns eine Stunde vor dem ersten Konzert passiert.

Reizen Sie solche Extremsituationen?

Hm, ich denke, ich versuche bewusst in Situationen zu kommen, in denen mir das Scheitern bewusst wird - oder besser: die Möglichkeit des Scheiterns. So wie ich eigentlich auch gern durchs Leben gehe und mir die Möglichkeit des Todes vergegenwärtige. Um möglichst richtig umzugehen mit dem Geschenk, was wir bekommen haben: zu leben auf dieser Welt, die ich hauptsächlich schön finde und spannend. Die Möglichkeit zu scheitern, ist nun mal immer gegeben.

Worin liegt für Sie die Faszination an Pionier-Projekten wie diesem?

Der Grundgedanke ist für mich der der Begegnung, einander kennen zu lernen. Ich finde, das gelingt immer noch am besten, wenn man etwas gemeinsam macht. Nicht nur ein gemeinsames Fläschchen zu öffnen - sondern: Hand anlegen. Beispielsweise Musik zusammen zu machen. Da lernst du, dich zurückzunehmen und dem anderen Platz zu machen. Umgekehrt musst du den Mut haben, dich einzubringen. Beides ist gar nicht so einfach. Wenn du etwa ein Stück hast und denkst, es ist perfekt, und es kommt jemand dazu - und plötzlich musst du etwas weglassen. Umgekehrt: Wenn du dazukommst zu jemandem, der ein vollkommen rundes, schönes Werk mitbringt. Da hinein zu singen oder mit dem Instrument hinein zu spielen - in dem Moment ist klar, dass ich es ihm kaputt mache. Es entsteht was Neues. Aber zuerst muss ich etwas zerstören: Ich greife in sein Stück ein, es beginnt zu wackeln, dann fängt es sich wieder - und es wird was Neues draus. Das braucht Mut.

Ist diese Feinmechanik eine Angelegenheit, die einem erst mit den Jahren klar wird?

In meinem Fall war das sogar meine Ur-Intention: zumindest mal die Volksmusik zu zerstören. Die wollte ich zu meiner persönlichen Volksmusik machen, sie nicht denen überlassen, die da wohnen, wo ich auch zu Hause bin, und die sie entsprechend für sich beanspruchen. Ich wohne schließlich auch dort, das ist auch meine Musik! Also wollte ich da mal reinfahren, es auseinander sprengen und schauen, was passiert, wenn man die Teile neu zusammensetzt.

Von der Entspanntheit eines Vollblut-Europäers

Offenbach Post 7. Juli 2008 | Text: Anke Steinfadt | Foto: Georg

Hubert von Goisern und Xavier Naidoo am Offenbacher Hafenanleger

Hubert von Goisern"Hubert, Hubert" riefen die Fans, als der wunderbare Konzertabend unter freiem Himmel am Offenbacher Mainufer zu Ende ging. Eine halbe Stunde zuvor hatte Xavier Naidoo seinen Gastgeber Hubert von Goisern in eine "Getränkepause" entlassen, bis zum finalen Abschied, so hätte man es zumindest erwartet. Doch der fiel aus. Goisern blieb hinter den Kulissen verschwunden, ohne sich von seinem Publikum zu verabschieden*. Sein Konzertpartner aus Mannheim erzählte etwas vom bevorstehenden Gewitter und sagte: "Wir denken an eure Sicherheit". Kurz darauf begannen Helfer die Instrumente von der Bühne zu schaffen. Aber Enttäuschung oder gar Verärgerung konnten sich nicht breit machen. Dazu waren die drei vorangegangenen Stunden viel zu schön und vor allem viel zu gelassen gewesen.

Schiffsgast Xavier Naidoo eröffnete den Abend pünktlich mit Ich kenne nichts und anstelle von "das so schön ist wie du" singt er beim letzten Refrain "das so schön ist wie Offenbach hier am Ufer". Und er hatte Recht. Die Bedingungen konnten nicht besser sein: Temperatur, Atmosphäre, Stimmung und Sound - alles stimmte. Zum Auftakt präsentierte Naidoo auf dem zur Konzertbühne umgebauten Frachtschiff "Brandner IV" eigene Stücke und solche der Söhne Mannheims. Immer wieder lobte er Hubert von Goiserns Band, die "über Nacht" seine Stücke einstudiert habe. Für intensive Momente sorgte Darinka Tsekova an der Gadulka, einem überaus prägnanten bulgarischen Streichinstrument.

Nach einer kurzen Pause wurde Hubert von Goisern mit großem Jubel empfangen. Zuschauer strömten von den Rängen vor die Bühne. "Griaß Eich", sprach er knapp ins Mikrofon, bevor ein treibendes Akkordeon-lastiges Instrumentalstück erklang. Der Sänger - neben dem Akkordeon spielte er Trompete sowie Gitarre und jodelte - präsentierte sich mit flatterndem roten Hemd über roter Hose. Als ob er damit eine Entspanntheit signalisieren wollte, die ihm im Bezug auf ein vereinigtes Europa so sehr am Herzen liegt.

Überwiegend kamen an der Anlegestelle am Main Stücke des neuen Albums S'Nix zu Gehör, wie etwa der von Chill-out-Rhythmen getragene Regen, der zwischen Volksfest und Disco changierende Weltuntergang oder die sanftmütige Ballade Die Liab.

Der experimentierfreudige Oberösterreicher schreibt Musik, die im Breitwandformat daherkommt und in die Tiefe geht. Komplexe Klangbilder mitunter, die der Fantasie Bergpanoramen eröffnen, obwohl weit und breit kein Berg zu sehen ist. Aus Tagen mit den Alpinkatzen spielte der gebürtige Bad Goiserner das elegische Heast as net und Weit weit weg. Das Publikum stimmt unaufgefordert ein. Auf Hiatamadl, das ihm 1992 den Durchbruch bescherte, verzichte er, bevorzugte eine Mundart-Interpretation von Janis Joplins Mercedes Benz.

Xavier Naidoo betrat zum gemeinsam produzierten Siagst as noch einmal die Bühne, übernahm für eine weitere halbe Stunde, um mit einer improvisierten "Offenbach Jam" den Abend zu beschließen.

* Anmerkung der HvG-Redaktion: Leider musste Hubert von Goisern seinen Auftritt wegen Erkrankung verkürzen.

Frachtschiff Konzert von Naidoo und von Goisern

DPA 6. Juli 2008
Xavier Naidoo und Hubert von Goisern

Erfolgreiches Popkonzert an einem ungewohnten Ort: Die Musiker Hubert von Goisern (55) und Xavier Naidoo (36) haben am Samstagabend in Offenbach auf einem Main-Frachtschiff gespielt. Mehrere tausend Zuschauer jubelten ihnen vom Ufer aus zu.

Der Österreicher von Goisern ist mit dem Schiff bereits seit dem vergangenen Jahr auf europäischen Flüssen unterwegs. Er lädt zu den Konzerten jeweils andere Musiker ein. Der als Autonarr bekannte Naidoo zeigte sich angetan von der ruhigen Atmosphäre auf dem Schiff. Von seiner Heimatstadt Mannheim aus könne er sogar auf zwei Flüssen aufbrechen, meinte der Soulsänger.