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LINZ EUROPA TOUR 2007-2009

Besessen

tools4music 5.2007 | Text: Michael Loesl | Foto: Martin Kucera
Hubert von Goisern und Band

Hubert, du hast einem Filmregisseur, der dich mit einer Filmmusik beauftragt hatte, mal hinterhergerufen, er solle doch lieber zum Teppichhändler gehen, wenn er Klangteppiche haben wolle. Du kannst nicht ohne Leidenschaft, oder?

Wenn du Leidenschaft mit Kraft übersetzt, stimme ich dir zur. Ich kann mit Regisseuren und Musikern nichts anfangen, die mit der Kraft nicht umgehen können. Lieber würde ich bei einem Film eine halbe Stunde lang überhaupt keine Musik einsetzen, als irgendwelche mediokren Töne, die Atmosphäre suggerieren sollen. Wenn du Enio Morricone hörst, hast du sofort Bilder im Kopf. Weil dessen Sound vor Kraft strotzt.

Hast du eine Erklärung für deinen Drang nach unbändiger Kraft?

Nur meine Besessenheit. Die bezieht sich allerdings nicht nur auf die Musik. Wenn ich mir schon die Mühe mache, aufzustehen und an ein Instrument oder einen Tisch zu gehen, um irgendwas zu machen, dann will ich es gescheit machen. Wenn ich koche, dann möchte ich daraus ein Fest machen. Ich tue mich total schwer damit, bei meinen Kindern für reine Nahrungsaufnahme zu sorgen. Wenn meine Kinder hungrig sind und ich etwas für sie zubereiten soll, bitte ich mir immer eine Stunde aus. Dann heißt es: "Nein, jetzt, sofort! Eine Tiefkühlpizza!" Grausam!

Bist du vom Perfektionsdrang getrieben?

Nein, es ist der Drang nach etwas Lustvollem. Etwas, das greift, packt und nicht einfach so an einem vorbei zieht. Ich kann gar nicht anders. Für mich ist Musik etwas Heiliges. Das löst etwas aus, was mich in die tiefsten Abgründe stürzen lässt. Aber es verschafft mir auch Zugang zum Spüren des Lebens in seiner ganzen Schönheit und Tragik. Musik ist wie Liebe. Vor beidem habe ich so großen Respekt, dass ich nicht damit spielen möchte im Sinne von: "Passt schon, merkt eh keiner, wenn man ein bisschen schummelt." Ich merke es, und damit ist das Problem auch schon vorhanden.

Was Probleme mit den Musikern deiner Band impliziert, wenn die nicht genauso brennen wie du.

Wenn die mit mir auf der Bühne stehen, in bestimmten Teilen des Programms nichts zu spielen haben und ich sie dabei ertappe, wie sie miteinander reden, haben wir ein Problem miteinander. Weil sie dann einfach nicht bei der Sache sind. Wie sollen wir Aufmerksamkeit vom Publikum fordern, wenn nicht mal die Musiker auf der Bühne Obacht geben?

Wie reagierst du in solchen Momenten?

Ich habe mal während eines Konzert eine Musikerin gebissen. Die stand während eines Parts, in dem sie nichts zu spielen hatte am Bühnenrand. Weil ich meine Hände zum Spielen brauchte, bin ich zu ihr hin, biss sie und zog sie somit auf die Bühnenmitte zurück.

Fühlen sich deine Musiker von deinem Habitus überfordert?

Vielleicht ist es naiv von mir, aber ich fordere jeden Musiker auf, der mit mir spielen will, seine Bandzugehörigkeit nicht nur als Job zum Broterwerb zu betrachten. Wer mit mir spielt, der soll bitteschön auch meine Musikerphilosophie mit mir teilen. Das Ende der Alpinkatzen hatte unter anderem auch mit dem Umstand zu tun, dass mich meine Musiker zum Schluss immer mehr als denjenigen gesehen haben, der für deren Altersvorsorge verantwortlich war.

Kann man dich als Bandboss durch ein Solo überraschen, oder ist es schwer, deinen Ansprüchen zu genügen?

Natürlich kann man das, wenn man will! Darum geht es ja schließlich in der Interaktion auf der Bühne. Ich bin weder der beste Instrumentalist, noch der beste Musiktheoretiker in unserer Gruppe. Fast jeder ist auf seinem Instrument besser als ich auf meinen Instrumenten.

Welche Instrumente spielst du auf der Bühne?

Gitarre, Ziehharmonika, ein paar Blasinstrumente und zum Komponieren spiele ich auch Klavier. Was ich meinen Musikern voraus habe, ist die Intensität des Erlebens des Augenblicks, ganz hier zu sein. Aber das ist nichts, was sie nicht auch erlernen können. Und wenn sie das nicht wollen, sind sie halt die Falschen für meine Band.

Deine Musik hat sich von den Alpinkatzen bis heute schon verändert, obwohl du dich der gleichen technischen Mittel bedienst. Manchmal weiß dein Publikum gar nicht, was sie bei Konzerten erwartet. Trotzdem sind deine Tourneen immer ausverkauft.

Wahrscheinlich liegt es schon am Herzblut. Auch auf die Gefahr hin, populistisch zu klingen; das Publikum ist nicht doof. Wenn ich als Zuhörer merke, wie abgeklärt Musiker auf der Bühne sein können, halte ich das nicht aus. Warum muss sich jemand durch Coolness oder irgendein Gehabe von dem distanzieren, was er gerade macht? Dann soll er es lieber gar nicht machen. Dieses Sich-schämen für etwas, was einem etwas bedeutet, ist zum Kotzen. Natürlich können Emotionen auch unglaublich destruktiv sein. Wenn man sich in etwas dermaßen reinkicken kann, dass es große Freude bereitet, muss auch Schmerz in Kauf genommen werden. Wenn das nicht klappt, wird man empfindungsloser, vielleicht sogar verhaltensgestört. Das Leben zieht an einem vorbei. Gibt es dafür nicht Unmengen Beispiele in der Musikgeschichte?

Wie werden die Konzerte konkret aussehen? Wirst du im Osten völlig spontan irgendwo anlegen und nach lokalen Musikern suchen, oder hast du Vorbereitungen getroffen?

Beides. Ich habe die Strecke, die wir jetzt mit dem Schiff zurücklegen, also der Donau bis zum Schwarzen Meer folgend, zwei Mal bereist, um zu testen, mit wem ich kann und mit wem nicht. Es gibt in den Ländern, die wir durchqueren natürlich einheimische Musiker, die von Tradition nichts wissen wollen. Deren Motto lautet musikalisch ganz klar: Go West. Damit kann ich nichts anfangen, auch wenn ich deren Motive verstehe. Ich will mit Leuten spielen, die sich der Musiktradition ihrer Gegend bewusst sind. Allerdings so, wie ich mir meiner bewusst bin. Ich kenne sie, mag sie, will sie aber mit meiner Sprache und mit meinen Mitteln nutzen, um sie nicht zur stereotypen Folklore verkommen zu lassen. Die Konzerte werden insofern spannend, als dass ich nicht weiß, was unsere Gäste konkret spielen werden. Ich habe nur eine ungefähre Vorstellung.

Und was ist, wenn die Lambada spielen wollen?

Dann sollen sie einen spielen. Solange sie es mit Leidenschaft tun, soll es mir recht sein. Ich wette aber, deren Lambada wird knallhart und eckig, fast schon nach Punk klingen. So viel zur Spontaneität bei den Konzerten. Wir haben die Etappe insofern schon vorab geplant, als dass du zumindest in den größeren Städten nicht einfach auftauchen kannst und somit vielleicht die Offiziellen in den einzelnen Kommunen abschreckst. Dafür erwarten wir aber mehrere tausend Besucher pro Konzert, die uns vom Ufer aus zuhören werden. Darüber hinaus hoffe ich natürlich auf spontane Gigs, wenn wir irgendwo zum Übernachten anlegen. Die Möglichkeiten dafür haben wir uns bewusst offen gehalten.

Du hast ja auch schon in Ägypten und Afrika gespielt. Wie grenzüberschreitend ist Musik de facto, wenn man den allgegenwärtigen Multikulti-Wunsch außen vor lässt?

Sie baut tatsächlich erstaunlich schnell Barrieren ab. Mohamed Mounir, unser ägyptischer Freund, hatte anfänglich Schwierigkeiten mit der Vorstellung, wie sich das Alpenpanorama am Ufer des Nils machen würde. Nachdem wir dann mit ihm und seiner Band Konzerte in Ägypten und Deutschland gespielt hatten, war er sehr traurig über das vorläufige Ende des Austauschs. Weil er gemerkt hatte, dass es eine Bereicherung ist, wenn die Barrieren fallen. Letztlich sind wir uns ja gar nicht so fremd, wie wir denken. Die Ziehharmonika ist in Ägypten längst kein unbekanntes Instrument mehr. Und mit ihr ist nicht nur ein Instrument der Firma Hohner an den Nil geschickt worden, sondern eine komplette Musikphilosophie. Umgedreht ist es genauso. Woher stammen denn unsere Trommeln und unsere Rhythmusphilosophien? Nicht aus Österreich und auch nicht aus Deutschland. Ich will diese beknackten Ängste voreinander abbauen, ohne etwas zu nivellieren.

Was bleibt, von der Reise

Linz 09 2. September 2007 | Text: Michael Leithinger

Hubert von Goisern sieht ein wenig traurig aus. Oder müde. Das Abschlusskonzert am Vorabend in Linz war toll; eines von vielen erfolgreichen Konzerten. Er wolle noch schnell vor dem Interview ein paar Dinge von Bord schaffen, meint er. Wenn man ihn so sieht, ihn und die Menschen, die mit ihm auf großer Fahrt waren, wie sie ihre Rucksäcke und Koffer und Kisten ans Ufer tragen und dabei noch ein wenig scherzen, sich in die sonnengegerbten Gesichter lachen oder umarmen, dann bekommt man eine Ahnung davon, wie intensiv die Zeit am Schiff gewesen sein muss.

Wie lange warst du am Schiff?

Gestartet sind wir am 22. Juni - zweieinhalb Monate also.

Zweieinhalb Monate an einem Stück?

Also wenn ich die Zeit zusammenrechne, die ich an Land war, dann waren das keine zwölf Stunden. Meine Mitstreiter waren oft auf "Landgang" und haben mir dann erzählt, was sie erlebt haben, jedes Mal mit einem Lächeln auf den Lippen. Aber ich war gern am Schiff - und auch im Wasser. Ich habe sicher mehr Zeit im Wasser verbracht als an Land, ich bin baden gegangen, sooft es ging. Das Wasser ist erstaunlich sauber, die Donau ist so ein schöner Fluss. Ich wollte auch heute noch mal kurz rein springen, aber es fehlte die Zeit.

Was ist das für ein Gefühl, auf einem Schiff zu reisen?

Schön. Einfach nur schön. Das ist die beste Art zu reisen, besser als zu Fuß. Alles andere ist viel zu schnell. Das ist wie der Minutenzeiger einer Uhr - wenn man hinschaut, dann sieht man nicht, dass er sich bewegt. Wenn man nach einer Zeit wieder hinschaut, dann ist er plötzlich woanders. Am Schiff ist das ähnlich. Du nimmst die Bewegung nicht wahr und merkst, trotzdem geht es voran. Wie in Slow Motion.

Die Wiederentdeckung der Langsamkeit also ...

Wenn man so will. Ich hab auch gehört von Leuten, die bei einem Schiffsunfall dabei waren, wie eigenartig langsam sogar dieser vonstatten geht. Da schaut man minutenlang zu, wie zwei Schiffe aufeinander zu schwimmen und kann gar nichts dagegen machen - solange, bis es kracht. Das ist so eine Wucht, so ein Schiff, eine riesige Behäbigkeit.

Aber Schiffsunfall hattet ihr keinen, oder?

Nein, wir sind alle wieder wohlbehalten zurück. Dafür bin ich dankbar, denn Gefahren gibt es genug auf dem Schiff. Das ist eine einzige Stolperfalle. An Deck ist es oft rutschig von der Gischt und es sind überall Seile gespannt und Taue aus Stahl - jeden Tag irgendwie anders, dass man sich auch nicht wirklich daran gewöhnen kann. Man muss immer wachsam sein, sich konzentrieren. Die Donau hat eine ziemliche Kraft, da sind schon viele ertrunken.

Spürt man die Wellen, schaukelt das am Schiff?

Schon ein wenig, ja, am kleineren Wohnschiff mehr. In stürmischen Nächten sind ein paar aus ihren Kabinen ausgezogen und haben sich am "Dorfplatz" zum Schlafen gelegt, unserem Zentrum auf dem Konzertschiff.

Wie groß waren eigentlich die Kabinen?

2 x 3 Meter, also 6 Quadratmeter. Das reicht vollkommen. Ich hab von keinem gehört, dass er darunter gelitten hätte oder dass es zu eng gewesen wäre. Es gab genügend Plätze am Schiff, auf dem Dach etwa, wo man sich zurückziehen und allein sein konnte. Man entwickelt sehr bald ein Gespür für die anderen und lernt aus deren Körpersprache, ob jemand seine Ruhe haben möchte oder Gesellschaft.

Also kein Lagerkoller an Bord, keine Streitereien, keine Misstöne ...

Wir hatten schon Stresssituationen und Auseinandersetzungen. Aber nichts, was lange oder unterschwellig vorhanden gewesen wäre und die Stimmung gedrückt hätte. Es geht auch nur so. Es war so eine schöne Reise. Wir haben versucht, jeden Stromkilometer zu genießen und haben es auch - meistens - geschafft. Das klingt jetzt romantisch, aber so war es.

Was war für dich das Schönste?

Das schönste waren die Konzerte. Wir haben den Auftritten entgegengefiebert, jeden Tag genutzt, wenn wir uns unseren Spielorten genähert haben, geprobt, das Programm entwickelt, uns mit den Gastmusikern ausgetauscht. Jedes Konzert war anders, aber danach waren wir jedes Mal sehr enthusiastisch. Wir sind dann noch lange zusammen gesessen an Deck und haben das gemeinsam genossen.

Klingt nach viel Spaß.

Was soll ich sagen - wir waren gut drauf. Ich hab mir natürlich auch Leute ausgesucht, die lustig sind und gerne in Gesellschaft, und die jung sind. Das hängt schon auch mit der Jugend zusammen, glaube ich, die kann einem solchen Leben eher etwas abgewinnen als ältere Semester.

Gab es auch Enttäuschungen?

Ja, natürlich. Von den Konzerten in den großen Städten haben wir uns mehr erwartet. Die waren zum Teil nicht gut besucht. Aber so ist das halt. In den großen Städten gehst du leicht unter, bei dem großen kulturellen Angebot. In den kleinen Dörfern waren wir die Attraktion schlechthin, die hatten so was noch nie gesehen.

Also ein echtes Abenteuer für die Menschen an den Ufern ...

Ja, und für uns erst. Das hat es alles noch nie gegeben: neue Länder, neue Sprachen, neue Orte, neue Musik. Und vor allem: Dieses permanente Draußen-Sein, wann hat man das noch heutzutage? Wir waren den ganzen Tag an Deck, in der Kajüte war es ja viel zu heiß, außerdem, was soll man da drinnen 'rumsitzen, draußen spielt sich ja alles ab. Du riechst den Fluss, siehst den Wolken nach, spürst, wie das Wetter umschlägt. Und wenn es regnet, dann setzt du dir halt deine Kapuze auf und schaust weiter zu, was sich tut. Es war witzig: Nach einer gewissen Zeit hat sich niemand mehr für den Wetterbericht interessiert. Es ist so, wie es ist.

Und die Hitze?

Die hat uns durch Bulgarien und Rumänien begleitet - zwei Wochen lang 45 Grad im Schatten. Das Schiff aus Eisen, barfuss gehen ging nicht mehr, nicht mal auf dem Holz.

Das heißt, die Reise war auch ein Naturerlebnis.

Und was für eines. Den Auwald hinter den Hochwasserdämmen, wie wir ihn kennen, denn gibt es so nur bei uns. Die Ufer weiter unten schauen ganz anders aus. In Ungarn kommen die ersten langen Kiesstrände, der Kies wird dann immer feiner zermahlen, es kommen dann Sandstrände, oft kilometerlang. Außerdem Nebenflüsse, riesige Sandbänke, Inseln voller Vögel, Wiesen ...

Und weit und breit kein Mensch ...

Ganz und gar nicht - die Menschen dort nutzen den Fluss, leben am Fluss, sie fischen und grillen und zelten, liegen in der Sonne und schauen aufs Wasser. Bei uns ist das undenkbar.

Bei uns sind die Flüsse ja auch eher begradigt.

Und in Beton und Stein gegossen. In Linz gibt es den Donaupark, aber Wien dreht bereits der Donau den Rücken zu, in Budapest fließt sie auch durch ein betoniertes Becken. Aber je weiter östlich man dann kommt, desto mehr öffnen sich die Städte zur Donau hin, der Fluss wird freier. Bei uns ist alles sehr reguliert, nicht nur der Fluss, auch das Leben am Fluss, weiter unten wird es chaotischer, lebendiger. Auch in den Städten pulsiert es, die haben ihre Strände und Terrassen und Cafes am Fluss. In Novi Sad war das besonders spürbar.

Hattet ihr die Zeit, Halt zu machen an besonders schönen Plätzen und zu ankern?

Doch, das ging schon - ja. Wenn es heiß war, mussten wir ja schwimmen. Wir haben meist kurz vor Sonnenuntergang geankert, sind schwimmen gegangen und dann ging es am nächsten Tag um 4.00 Uhr früh wieder weiter.

Du bist aufgebrochen, um mit deiner Musik Grenzen zu überschreiten. Ist dir das gelungen?

Ich glaub schon. Gemeinsam mit den einheimischen Gästen waren wir so etwas wie ein Katalysator: Bei unseren Konzerten und auch auf der Reise dorthin, an Bord, ist etwas passiert, da haben sich Menschen getroffen, es ist zu Begegnungen gekommen über Sprach- und Ländergrenzen und musikalische Stilrichtungen hinaus. Vielleicht ist dadurch das Verständnis füreinander punktuell ein wenig größer geworden. Was heißt da vielleicht - mit Sicherheit!

Und hast du selbst Vorurteile, Ängste abbauen können?

Ich denke ja. Ich bin einmal mehr zur Überzeugung gekommen, dass es überall offene und verschlossene Naturen gibt. Natürlich sind die Menschen in Südosteuropa anders als hier, das ist ja spannend so, aber sie tanzen auch zur Musik und freuen sich auch über ein gelungenes Konzert. Sie leben am selben Fluss wie die Menschen hier, tausende Kilometer weiter flussaufwärts, und das alles ist Europa. Ich bin stolz darauf und ich freue mich und will auch, dass das alles zu Europa gehört, und dass wir ein Gefühl dafür entwickeln, wie groß und wie bunt und wie einmalig dieses Europa ist.

Du bist auch deshalb auf diese Reise gegangen, weil du, wie du im Vorfeld gemeint hast, "Menschen kennen lernen willst, die dir gut gesonnen sind". Ist dir das gelungen?

Ja. Das waren natürlich meist unsere Musikerkollegen, weil ich ja nicht viel an Land war. Ich hab aber auch im Vorfeld, als ich die Länder mit dem Auto abgefahren bin, Menschen getroffen, die mir ein Stück von ihrer Welt gezeigt haben, eine Geschichte, eine Landschaft, eine Momentaufnahme aus ihrem Leben, die von Herzen kommt, mit dem kleinen Hinweis "Komm doch noch mal, dann zeige ich dir mehr".

Du warst ja auch als Botschafter der Kulturhauptstadt unterwegs. Gibt es so etwas wie eine Botschaft, die du von deiner Reise mit zurückbringst nach Linz?

Ja, die gibt es. Die ist einfach und heißt: Fürchtet euch nicht. Europa ist schön und steckt voller Abenteuer, voller Facetten. Wenn ich das alles erstmal verarbeitet hab, dann kann ich davon mehr erzählen.

Und dieses Verarbeiten, das steht jetzt an, oder? Wie packst du das an?

Keine Ahnung. Jetzt freu ich mich erstmal auf die Berge und aufs Gehen. Ich will noch ein wenig rumkommen. Und dann will ich schauen, was bleibt, von der Reise. Von den vielen Kontakten und Treffen und möglichen Projekten für die Zukunft. Das wird eine Zeitlang dauern, bis alle großen Wellen ans Ufer geklatscht sind. Außerdem muss ja der nächste Teil der Tour geplant werden. 2008 geht es Richtung Westen, da ist nicht mehr lange hin.

"Freu' mich auf die Berge und aufs Gehen"

Neues Volksblatt 5. September 2007 | Text: hut | Foto: Linz09

Im Linzer Lentos zog Hubert von Goisern Bilanz über seine zehnwöchige Tour
durch Osteuropa im Auftrag der Kulturhauptstadt

Hubert von Goisern"Fürchtet Euch nicht!". Mit dieser Botschaft kam der Botschafter für die "Kulturhauptstadt Linz 2009" von seiner zehnwöchigen Konzerttournee durch Osteuropa nach OÖ zurück und am Montagabend ins Lentos.

Mit seiner Reise im Konzertschiff auf der Donau wollte er dazu beitragen, "ein Gefühl zu entwickeln, wie groß und wie bunt und wie einmalig dieses Europa ist", meinte Hubert von Goisern im Publikumsgespräch mit "Linz '09"-Intendant Martin Heller, zu dem sich 250 Besucher eingefunden hatten. Bevor es ans Bilanzieren ging, bekamen sie eine Premiere zu sehen: einen Trailer zur ORF-Doku über Goiserns Linz Europa Tour, die im Frühjahr ausgestrahlt wird.

Es werde eine Zeit lang dauern, bis "alle großen Wellen ans Ufer geklatscht sind", glaubt der Sänger, der glücklich ist, mit seiner 28-köpfigen Crew wieder heil in Linz angekommen zu sein. Dann wolle er schauen, was sich aus den vielen Kontakten, die er während der Reise knüpfte, für künftige Projekte ergebe, so Goisern zwei Tage nach seinem Konzert im Linzer Donaupark.

Trotz mangelnder medialer Unterstützung an manchen Orten seien seine Konzerte gut besucht gewesen, sagte der 54-Jährige. In Orsova in Rumänien etwa seien trotz fehlender Werbung vor Ort 2500 Besucher gekommen.

In den kleinen Dörfern seien die Auftritte "die Attraktion schlechthin" gewesen, in großen Städten habe er sich mehr erwartet. Negativ auch: Skepsis, fehlende lokale Unterstützung und auch manche Musiker, die das Projekt nicht begriffen haben.

Goisern erzählte von der Langsamkeit des Reisens per Schiff, die einen in einen ganz eigenen Rhythmus versetzt. Von einem Sturm, der ihm fast die Tour vermasselt hätte. Von einem Konzert, das kurzerhand vom Kai eines teuren Hotels an den öffentlichen Strand verlegt wurde, damit es nicht nur wohlhabende Gäste, sondern alle hören konnten.

2008 wird der "Volxmusiker" und Ethno-Rocker mit seinem Konzertschiff den Rhein-Main-Donau-Kanal bis Rotterdam bereisen. Zunächst einmal sei er aber nur froh, wieder daheim zu sein: "Ich freu' mich auf die Berge - und aufs Gehen".

"Fürchtet euch nicht!"

OÖN 5. September 2007

Von Goisern bilanzierte mit Heller

Geplant war ein Bilanzgespräch von Hubert von Goisern mit Linz-'09-Intendant Martin Heller anlässlich des ersten Teils der Linz Europa Tour des Musikers. Geworden ist es ein mitreißender Erlebnis- und Stimmungsbericht, der das Auditorium am Montag im Linzer Lentos zum Staunen und oft auch zum Lachen brachte.

Hubert von Goisern erinnert sich, wie das Konzertschiff stromaufwärts von einer alten Dame auf einem Waffenrad überholt wurde und kommentiert trocken: "Soll fahren, wenn sie's drawig hat." Als größten Luxus der Reise beschrieb der Weltenbummler nämlich die Langsamkeit der Donau. Mit festem Boden unter den Füßen dauere es seine Zeit, bis man sich wieder an das Leben an Land gewöhne.

Reise auch mit Problemen

"Ich glaube, wir haben euch keine Schande gemacht und haben einiges hingetragen, wo ich denke, dass Samen gedeihen können", so der Oberösterreicher weiter. Mitgebracht habe er aber nicht nur fruchtbaren kulturellen Austausch, sondern auch die Erkenntnis, dass sein Projekt mancherorts nicht nur positive Unterstützung seitens der Politik fand.

Für Teil zwei der Tour 2008 Richtung Westen wünsche er sich, alles richtig machen zu können. Intendant Heller ermutigte zum Abschluss: "Fürchte dich nicht, Stadt Linz!"

Hubert von Goisern: Live in Linz - 1. September 2007

7. September 2007 | Fotos: © Elli Christl

Wieder zurück mit Freunden

Linz 09 3. September 2007

Abschlusskonzert der Osttour am 1. September 2007 im Linzer Donaupark

Mit einem furiosen Konzert im Heimathafen in Linz feierte Hubert von Goisern gemeinsam mit Freunden den musikalischen Abschluss der ersten Linz Europa Tour-Etappe.

Hubert von GoisernHubert von Goisern8.000 Menschen kamen zur schwimmenden Bühne vor dem Brucknerhaus, dem schlechten Wetterbericht zum Trotz. "Wir haben so viel erlebt, dass muss ich jetzt erstmal verarbeiten", meinte Goisern und überließ die Bühne die ersten zweieinhalb Stunden seinen musikalischen Freunden, die u.a. auf der Reise mit an Bord waren: die Hohtraxlecker Sprungschanznmusi aus Bad Ischl bestach mit frischer Interpretation alpiner Volksmusik. Bei Rambo Amadeus, dem Singer, Songwriter und Gitarristen aus Montenegro sprang auch ohne Textverständnis sein Turbo-Folk auf das Linzer Publikum über.

Hubert von Goisern und seine Band begeisterten gemeinsam mit der weltweit ersten Kniegeigerin Darinka Tsekova aus Bulgarien die Konzertbesucher im Linzer Donaupark bis spät in die Nacht. Mit Heast as net beendete Hubert von Goisern mit seinen Freunden in stimmungsvoller Weise die erste Etappe der Linz Europa Tour.

Die erste Etappe der Linz Europa Tour 2007 - 2009 ist geschafft

Zweieinhalb Monate war Hubert von Goisern mit seiner Band auf der Donau in Richtung Schwarzes Meer und retour unterwegs - als Botschafter der Kulturhauptstadt Linz. Dabei hat er in zehn Ländern 22 Konzerte gemeinsam mit lokalen Künstlern und Künstlerinnen gegeben - mit dem Ziel, Musik als wortlose Kommunikation einzusetzen, die Grenzen überwindet. Am 1. September 2007 schließlich lief der Schiffsverband im Heimathafen Linz zu einem großen Abschlusskonzert ein.

Fortsetzung folgt 2008

Nächstes Jahr folgt die zweite Etappe der Tour. Sie führt in den Westen entlang Donau, Main und Rhein bis nach Rotterdam. 2009 soll die Tour ihren finalen Höhepunkt in einem mehrtägigen Festival mit allen beteiligten Künstlern und Künstlerinnen im Linzer Hafen finden.

Hubert von Goisern: Live in Bratislava - 29. August 2007

3. September 2007 | Fotos: © Sarah Marchant

Kilometer 1879, wieder daheim

Salzburger Nachrichten 1. September 2007 | Text: Bernhard Flieher | Fotos: SN / Zeitenspiegel
Hubert von Goisern

Heute, Samstag, endet mit einem Konzert in Linz die erste Etappe
der "Linz Europa Tour" von Hubert von Goisern. Eine Reportage.

Zäh geht es stromaufwärts. Die Donau leistet natürlichen Widerstand. Kraftwerke und Schleusen verstärken ihn künstlich. Das geringe Tempo ist gut für die Gedanken, sie hängen ohnehin zurück. Die Gedanken mögen sich um die baldige Heimkehr drehen. Per Handy mögen erste Treffen auf festem Boden vereinbart werden. Den Bezugsrahmen aller Gespräche aber bieten die Erlebnisse der vergangenen zweieinhalb Monate.

"Keine Ahnung, wie das Leben nachher sein wird", sagt Hubert von Goisern. "Ich komm zwar auch von einer Reise zurück. Vor allem aber komme ich vom Wasser zurück. Ich hab ja nur wenige Stunden an Land verbracht, hab immer auf dem Schiff geschlafen. Ich hör immer das Rauschen der Donau und das Ächzen des Bootes. Ohne das kann ich es mir im Moment nicht vorstellen." Die Donau, dieses Binnenreich, das "auch im Sinne des Europas", wie er es verstehe, "ein freier Fluss bleiben muss, der jede Art von Grenzen leicht überwindet", wurde sein Daheim.

Linz-Konzert, dann Pause für die nächste Schifffahrt

Mit einem Konzert in Linz endet heute, Samstag (18.30 Uhr, an der Donau beim Brucknerhaus; Eintritt frei), der erste Teil der Linz Europa Tour 2007 bis 2009 Hubert von Goiserns. Auf europäischen Flüssen werden der Goiserer und sein Team bis Juni 2009 rund 12.000 Kilometer zurückgelegt haben. Beendet wird die Reise mit einem Festival im Rahmen von "Linz 09 - Europäische Kulturhauptstadt".

Bevor Ende Juni kommenden Jahres die Reise Richtung Westen und Norden weitergeht, wird der ORF im Frühjahr 2008 in drei Dokumentationen den nun abgeschlossenen Ostteil der Reise Revue passieren lassen.

Gespielt wird auch bei der Reise im kommenden Jahr auf dem multifunktionalen Bühne mit einer Soundanlage für etwa 5000 Menschen umgebauten Schiff. Neben der fixen Crew und der Band werden auf Donau, Rhein und Main an allen Häfen zwischen Basel und Amsterdam Gastbands an Bord gehen. Fix ist noch nichts, aber es werden bereits Namen kolportiert - darunter Xavier Naidoo, Tote Hosen und Sportfreunde Stiller.

Das Vorhaben kostet knapp vier Millionen Euro. Jeweils ein Drittel des Geldes kommt von Red Bull und "Linz 09 - Europäische Kulturhauptstadt". Den Rest muss der Goiserer unter anderen durch Eintrittsgelder für Konzerte, die auf der Nord-West-Route im kommenden Jahr eingeplant sind, selbst einbringen.

Seit Mitte Juni leben Hubert von Goisern, seine Band und die Schiffscrew an Bord. Zehn Länder haben sie mit ihrer Musik entlang der Strecke des ersten Teils der auf drei Jahre angelegten "LinzEuropaTour" (siehe Kasten) verbunden. Im kommenden Jahr geht es auf Donau, Rhein und Main in den Nordwesten. "Daran kann ich noch nicht denken", sagt Hubert von Goisern und schaut durch die Regennacht auf den schwarzen Fluss.

Es war Goiserns bisher längste Tour. "Am Stück war ich nie so lange weg. Da gab's sonst zwar mehr Konzerte pro Jahr, aber zwischendurch auch immer Tage, an denen man heimkommt. So weit weg wie auf dieser Reise war ich nie."

29 Konzerte. Über ein Dutzend Sprachen. Ungezählte, ungeordnete Erinnerungen bleiben - an die Landschaft des Deltas, an erdrückende Hitze in der Ebene, durch die sich der Fluss in Rumänien und Bulgarien wälzt. An herzliche Aufnahme, an politische Ungereimtheiten und nicht nachvollziehbaren Umgang mit ethnischen Minderheiten. An intensive Begegnungen mit lokalen Künstlern. Aber auch an Schnellschüsse, als manche Band nur für den Auftritt an Bord kam. An ungeplante, spontan vereinbarte Auftritte in kleinen Dörfern wie in Donji Milanovac. "Einen Tag vorher wurde das ausgemacht. Der ganze Ort war auf den Beinen. Wunderbar", sagt Geigerin Marlene Schuen.

Bittere Momente ereigneten sich in den Ballungsräumen. Es gab desolat organisierte, kaum angekündigte und deshalb schlecht besuchte Großstadtauftritte. Hier passierten Fehler. "Unsere eigenen zuerst, weil wir andere Leute engagieren und in den Städten eine andere Strategie hätten wählen sollen." Die Gratiskonzerte hatten den Nachteil, dass für lokale Veranstalter "jeder finanzielle Anreiz, sich ins Zeug zu legen", wegfiel.

Nichts, was aus ist, muss auch vorbei sein

Zum Konzert in Pressburg am vergangenen Mittwoch, dem letzten jenseits von Österreich, kamen ein paar hundert Leute. Wieder haben die lokalen Organisatoren in dieser Stadt wenn schon nicht versagt, so sich wenig angetan. Die musikalische Leistung bleibt davon unberührt.

Im Best-of-Programm, bei dem aus knapp 20 Jahren Goisern'schen Schaffens geschöpft wird, entwickelten sich ein paar neue Songversionen, etwa Neuer Tag. Die Hoffnung gebende Ballade über die Ambivalenz, dass nichts, was aus ist, auch vorbei sein muss, wuchs zu einem betörenden Statement - mittlerweile angereichert durch melancholische, ladinisch gesungene Chorpassagen und der geigenden Gastmusikerin Darinka aus Bulgarien - für das Gesamtunternehmen.

Begonnen werden alle Auftritte mit einem Paket älterer Songs, in denen die Quintessenz der Bedeutung des Goiserers nachzuvollziehen ist: alpenländische Tradition, mit Respekt behandelt, aber keineswegs zu Tode beschützt, sondern mit Elementen von Rock, Pop oder Jazz und der offensiven Haltung eines selbstsicheren Performers angeboten. Druckvoll spielen der Goiserer und seine Band das vom Schiff in Richtung Land. Der Auftritt in Bratislava untermauert das Bild einer fulminant eingespielten, immer noch hochkonzentrierten Truppe.

Flusskilometer 1879. Die meisten schlafen noch. Eine Fanfare aus dem Kuhhorn dröhnt in den grauen Himmel, während die Crew die Fahne hisst. Am Bug muss die Fahne des Landes wehen, in dessen Hoheitsgebiet man schippert. Unter der slowakischen Befestigungsanlage Devin vorbei wird die Grenze zu Österreich überquert. Rund 40 Stunden reine Fahrzeit sind es von hier bis Linz. Es regnet. Die Hitze der vorigen Wochen - "wir sind fast die ganze Strecke durch einen Jahrhundertsommer gefahren" - wich den Vorboten des Herbstes. Wieder daheim. Oder noch weit weg?

Viele Schiffe, viele Abenteuer, neue Welten

Heimwärts geht es immer zäh, weil der Rucksack mit Erinnerungen schwer ist. Der Regen verjagt alle vom Dorfplatz, der über Wochen der Kommunikations-, Ruhe- und Ess-Ort war. In der mittlerweile unbenutzten Gästekajüte wird auf der Play-Station ein Fußballturnier gespielt. In der Messe werden Filmmitschnitte für die geplanten TV-Dokus studiert. Über der Wachau reißt dann der Himmel auf. Die Sonne sendet am vorletzten Schiffsmorgen doch noch wärmende Strahlen. Ein mächtiges Passagierschiff mit Namen "Austria" passiert den Goisern-Schiffsverband.

Zu viele Schiffe, zu viele Abenteuer, zu viele neue Welten haben die Bordbewohner im Kopf, als dass die "Austria" einer Bemerkung wert wäre. Die Speicherplätze sind gefüllt. Hochwasser im Gedanken- und Gefühlsaufnahmebecken. "Schau, das Schiff da. Die kommen aus Constantia. Schwarzes Meer", so machte Marlene Schuen ein paar Stunden zuvor beim kurzen Halt in Wien auf das noble Riesenteil am Nachbarponton aufmerksam. Ton der Stimme und leichtes Glänzen in den Augen verraten Wehmut. Ein paar Stunden noch bis daheim. Aber die Melodien klingen noch von ganz woanders.